Diaristik und Alltagsgeschichte. Victor Klemperers Tagebücher 1933-1945 als periphere Geschichtsschreibung des Nationalsozialismus
Abstract
Die Gattung Tagebuch verfügt über spezifische Mittel, den Blick sehr konzentriert auf den Alltag zu lenken. Auch Victor Klemperers Tagebücher aus dem Zeitraum des Dritten Reiches – Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten (1995) – führen aus der persönlichen Ausnahmesicht eines dem Holocaust entgangenen deutschen Juden überzeugend vor, dass die nationalsozialistische Gesellschaft keine Trennung von Politik und Alltagsleben erlaubte. Der Faschismus setzte sich ja zum Ziel, eine organische Gesellschaft zu schaffen, in der jeder Aspekt des Lebens von der Nazi-Ideologie durchdrungen werden sollte. Von dieser totalitären Durchdringung legt Klemperer beeindruckend Zeugnis ab. Hinsichtlich des dem Tagebuch inhärenten Alltagsfokus soll in meinem Artikel dargestellt werden, dass Victor Klemperers repertorisierendem Schreibverfahren der Wille zur Durchsichtigmachung zugrundeliegt, zur Klärung und Aufklärung dessen, was während der zwölf Jahre Naziterror geschieht, aber ohne die minutiöse Niederschrift unbeschreibbar geblieben wäre.
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