CON-TEXTOS KANTIANOS.
International Journal of Philosophy N.o 7, Junio 2018, pp. 19-43
ISSN: 2386-7655
Doi: 10.5281/zenodo.1298468
Der Raum ist kein empirischer Begriff.
Zu Kants erstem Raumargument
DIETMAR H. HEIDEMANN
Universität Luxemburg, Luxemburg
„The paper discusses Kant’s first argument from space in the „Critique of pure Reason”. It argues that, contrary to what parts of the literature have claimed, the argument provides convincing reasons for the view that in order to locate objects in space outside us we must already presuppose the idea of space such that it cannot be borrowed from the objects perceived in space. The paper shows how the argument can be made transparent not only by clarifying Kant’s usage of “distinct from” and “ausser uns” but also by retracing its main idea back to the 1768 essay “Concerning the Ultimate Foundation of the Differentiation of Regions in Space” and its incongruent counterparts argument.”
Kant, space, outside us, distinct from us, incongruent counterparts, Wolff
“Dieser Beitrag untersucht Kants erstes Raumargument in der „Kritik der reinen Vernunft“ und argumentiert für die These, dass im Gegensatz zu in der Forschung weitverbreiteten Ansichten Kant überzeugende Gründe dafür liefert, dass um Gegenstände im Raums als ausser uns zu lokalisieren, wir die Vorstellung des Raumes schon voraussetzen müssen, so dass der Raum nicht
Professor Dr. Dietmar Heidemann, Institute of Philosophy, University of Luxembourg, dietmar.heidemann@uni.lu
Dietmar H. Heidemann
von diesen Gegenständen allererst abstrahiert sein kann. Dies wird gezeigt anhand der Analyse des Kantischen Gebrauchs von „verschieden von“ und „ausser uns“ sowie des Arguments für inkongruente Gegenstücke in der Schrift „Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum“ (1768).
Kant, Raum, ausser uns, verschieden von, inkongruente Gegenstücke, Wolff
„Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußerer Erfahrung abgezogen worden“ (KrV, A 23/B 38), so lautet die These des sogenannten ersten Raumarguments der Kritik der reinen Vernunft. Von den insgesamt vier Raumargumenten ist kein Beweis so heftig kritisiert worden wie derjenige für diese These. Die gegen das erste Raumargument erhobenen Einwände richten sich dabei weniger gegen Kants Behauptung, dass der Raum
„kein empirischer Begriff“ sei, sondern gegen den Beweis dafür, dass die „Vorstellung des Raumes“ „schon zum Grunde liegen“ muss, damit die repräsentationale Beziehung auf
„etwas außer mir“ möglich ist (KrV, A 23/B 38).1 In seiner Kant-Kritik formuliert zum Beispiel Hegel diesen Einwand wie folgt: „Daß nun Raum und Zeit keine empirischen Begriffe sind, - in solchen barbarischen Formen spricht Kant beständig; Begriff ist nichts Empirisches. […] Denn damit ich meine Empfindungen auf etwas außer mir beziehe, setze ich den Raum voraus. Daß etwas Äußerliches in verschiedenem Orte oder Zeit vorgestellt werde, muß die Vorstellung des Raumes und der Zeit schon vorhergegangen sein. […] Aber daß sie vorher müssen dasein, als Vorstellungen zugrunde liegen, folgt nicht.“ (Hegel 1971, S. 340-341). Der Sache nach sind zahlreiche Kant-Kritiker der Stoßrichtung des Hegelschen Einwand bis heute gefolgt. So lauten Standardkritiken, Kants erstes Raumargument sei tautologisch, zirkulär und überhaupt trivial, da es auf die Behauptung hinauslaufe, dass in jeder Vorstellung räumlich bestimmter Gegenstände eine räumliche
1 Kants „Kritik der reinen Vernunft“ wird zitiert nach der Ausgabe von J. Timmermann (Hrsg.), Hamburg 1998 (A für die erster Auflage, B für die zweite Auflage). Alle übrigen Werke etc. Kants werden mit Angabe der Band- und Seitenzahlen zitiert nach: Gesammelte Schriften. Hrsg.: Band I–XXII Preußische Akademie der Wissenschaften, Band XXIII Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Band XXIV Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff. Übersetzungen lateinischer Zitate sind entnommen aus Kant Werkausgabe in 12 Bänden, W. Weischedel (Hrsg.), mehrere Auflagen, Frankfurt a. M., 1977.
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Der Raum ist kein empirischer Begriff
Vorstellung enthalten sei, oder wie Strawson vermögenstheoretisch formuliert: „that we could not become aware of objects as spatially related unless we had the capacity to do so.“2
Des Öfteren wurde darauf hingewiesen, dass ein solches Verständnis des ersten Raumarguments und die gegen seinen Beweis gerichtete Kritik den eigentlichen Kantischen Gedanken nicht treffe. Das erste Raumargument besage nämlich gar nicht, dass wir uns räumlich zueinander in Beziehung stehenden Gegenständen nur bewusst werden können, wenn wir die entsprechende Fähigkeit dazu besitzen, sondern dass die räumliche Lokalisation von Gegenständen deren Ortverschiedenheit und damit ein Bezugsystem voneinander verschiedener Raumstellen, das heißt den Raum, schon voraussetzt. Die Mehrzahl der Autoren, die die Verkürzung des ersten Raumarguments durch seine Kritiker monieren, versucht dabei solche Einwände mit dem Hinweis auf die von Kant in der ersten
„Erörterung“ (KrV, A 23/B 38) des Raumes intendierte Voraussetzungsbeziehung zurückzuweisen. Demnach setze die Möglichkeit, an verschiedenen Orten gegebene Gegenstände vorzustellen, ein Bezugssystem voraus, den Raum, das Lokalisation von Orten im Raum allererst gestattet. Die Vorstellung des Raumes kann daher nicht dadurch gewonnen werden, dass zunächst Gegenstände als Okkupanten verschiedener Orte wahrgenommen werden, um daraufhin die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen als räumliche Relationen zu deuten und schließlich den Begriff des Raumes zu bilden. Dies zeige zugleich, dass der Raumes kein empirischer Begriff ist, weil er jeder äußeren Wahrnehmung bereits zugrundeliegt.
So zutreffend diese Kritik an bestimmten Fehldeutungen des ersten Raumarguments auch sein mag, so ergänzungsbedürftig ist sie zugleich. Denn im Grunde weist sie lediglich
2 Vgl. Strawson (1966, S. 58). Siehe zu den Standardkritiken etwa schon Vaihinger (1922, Bd. 2, S. 157), das erste enthalte ebenso wie das zweite Raumargument „eigentlich eine Tautologie“. Der Sache nach findet sich ein ähnlicher Einwand heute zum Beispiel noch bei Dicker (2004, S. 36-40). Zur Diskussion dieser Kritik und weiterer Einwände vgl. unter anderem Baum (1996, S. 42-46), Falkenstein (1995, S. 161-165) und Warren (1998). Warren (1998, S. 180-184) liefert in diesem Zusammenhang eine besonders aufschlussreiche Auseinandersetzung mit der Forschung, vor allem mit Allison. Allison hat in der ersten Auflage von Kant’s Transcendental Idealism (1983, S. 83-86) das erste Raumargument gegen den Tautologieeinwand verteidigt, dabei aber Kants Verwendung von „ausser mir“ im Sinne von nicht-räumliches „ausser mir“ verstanden. Warren hat Allisons Interpretation von „ausser mir“ in seiner Untersuchung mit plausiblen Argumenten, auf die im Folgenden zurückzukommen sein wird, zurückgewiesen. Daraufhin hat Allison in der zweiten Auflage von Kant’s Transcendental Idealism (2004, S. 101) seine ursprüngliche Interpretation revidiert. Auf die eigentlich entscheidenden Hintergründe der spezifisch räumlichen Bedeutung von „außer mir“, die Baum (1996) herausgearbeitet hat, geht weder Allison noch Warren ein. Siehe dazu unten Abschnitt 2.
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auf den Umstand hin, dass der Raum ein Vorauszusetzendes sei, ohne zugleich zu klären, warum der Raum „kein empirischer Begriff“ ist, das heißt weder als eine empirische noch als eine begriffliche Vorstellung gelten kann. Eines sollte dabei klar sein. Mit dem ersten Raumargument will Kant nicht demonstrieren, dass der Raum zwar kein empirischer, aber gleichwohl ein (reiner) Begriff ist. Denn der Raum ist nach Kant Anschauung und nicht Begriff. Kants Beweisabsicht ist eine andere. Hinter der Formulierung „kein empirischer Begriff“ verbirgt sich, wie im Folgenden gezeigt werden soll, weniger die Absicht, empiristische, sondern rationalistische Theorien des Raumes zurückzuweisen, die den Raum aus der Vorstellung relationaler Beziehungen zwischen Orten entstehen lassen. Die dahinter bestehende Problemlage ist weitaus komplexer als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn die konkrete Formulierung der ersten Raumerörterung legt nahe, dass Kant eine bestimmte Klasse philosophischer Lehren, möglicherweise sogar einen bestimmten Autor angreift. Ganz offensichtlich bezieht sich Kant auf die Leibnizsche Raumtheorie bzw. deren Varianten und möglicherweise konkret auf Wolff wie die Wortwahl und der konkrete Aufbau der Argumentation zeigt. Zieht man bei der Rekonstruktion der Hintergründe des ersten Raumarguments zudem die Schrift Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum (1768) hinzu, deren Argumentationsstruktur den Grundgedanken des ersten Raumarguments vorwegnimmt, so wird die These „Der Raum ist kein empirischer Begriff“ sowie der von Kant geführte Beweis erst vollends verständlich. Es soll daher im Folgenden gezeigt werden, dass die Forschung zwar bestimmte Interpretationsdefizite identifiziert und zum Teil auch behoben hat, dass jedoch entscheidende Aspekte unberücksichtigt geblieben sind, die bei der Rekonstruktion und Bewertung des ersten Raumarguments nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Im ersten Abschnitt wird im Folgenden das erste Raumargument zunächst so rekonstruiert, dass die dabei entscheidenden Beweiselemente sichtbar werden, denen die Forschung bisher wenig Beachtung geschenkt hat. Im zweiten Abschnitt soll dann gezeigt werden, dass diese Beweiselemente offensichtlich einen Bezug auf Wolffs Version des Leibnizschen Raumbegriffs darstellen, wodurch das erste Raumargument in seinen Details erst verständlich wird. Der vermutliche Wolff-Hintergrund deutet darauf hin, dass für das Verständnis des ersten Raumarguments Überlegungen relevant sind, die Kant bereits in seiner Raumschrift von 1768 angestellt hat, vor allem dass die Vorstellung des Ganzen des Raumes als Form die Vorstellung der Teile des Raumes erst möglich macht. Wie der dritte
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Der Raum ist kein empirischer Begriff
Abschnitt darlegt, zeigen diese Zusammenhänge, dass das erste Raumargument anders als seine Kritiker behaupten weder tautologisch bzw. zirkulär noch trivial, sondern wohlbegründet ist.
Die Rekonstruktion des ersten Raumarguments macht zunächst einige Bemerkungen zu mehreren entscheidenden Gesichtspunkten der „metaphysischen Erörterung des Begriffs des Raumes“ erforderlich. Diese Bemerkungen betreffen vor allem den Argumentations- bzw. Beweischarakter der metaphysischen Erörterung. Nachdem Kant in §1 der transzendentalen Ästhetik die transzendentalphilosophischen Begriffspaare Sinnlichkeit– Verstand, Anschauung–Begriff sowie Form–Materie eingeführt und sich zur Methode der Isolation der Erkenntnisstämme geäußert hat, kommt er in §2 zur sogenannten
„metaphysischen Erörterung des Begriffs des Raumes“. Zunächst definiert er den äußeren Sinn als „Eigenschaft unseres Gemüts“, durch die „wir uns Gegenstände als außer uns, und diese insgesamt im Raume“ vorstellen: „Darinnen ist ihre Gestalt, Größe und Verhältnis gegen einander bestimmt, oder bestimmbar.“ (KrV, A 23/B 37). Damit ist bereits klar, dass Kant unter „als außer uns“ vorgestellten Gegenständen vorgestellte Gegenständen „im Raum“ versteht. Zwar ist an dieser Stelle noch nicht hinreichend deutlich, dass der Ausdruck „außer uns“ bei Kant das räumliche „außer uns“ und nicht bloß die numerische Verschiedenheit meiner selbst von diesen Gegenständen und dieser Gegenstände voneinander bezeichnet. Da aber die Gegenstände „außer uns“ nur durch den äußeren Sinn vorgestellt werden können und dieser die Gegenstände immer nur „im Raum“ vorstellt, folgt daraus, dass Gegenstände „außer uns“ Gegenstände „im Raum“ sind.
Des weiteren unterstreicht Kant schon in §1, dass sich der Raum als Form der Anschauung (KrV, A 22/B 36), mithin als reine Anschauung erweisen wird und daher, wie es dann in § 2 heißt, „[ä]ußerlich“ „nicht angeschaut“ werden kann (KrV, A 23/B 37). Zwar ist es zutreffend, dass, worauf Baum in seiner für die Sachfrage insgesamt wegweisenden Abhandlung über „Kants Raumargumente und die Begründung des transzendentalen Idealismus“ 3 völlig zurecht hinweist, dass Kant in den ersten beiden
3 Vgl. Baum (1996, S. 47-48).
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Raumargumenten die Unterscheidung von Anschauung und Begriff noch nicht explizit thematisiert. Dies geschieht erst im dritten und vierten Raumargument. Insofern darf sich das erste Argument auch nicht auf den Anschauungscharakter des Raumes im engeren Sinne stützen. Gleichwohl spielt im ersten Raumargument die schon aus § 1 bekannte Feststellung eine Rolle, dass der Raum Form der Anschauung und das heißt Strukturgrundlage für die Ordnung des Gegebenen „in gewissen Verhältnissen“ ist (KrV, A 20/B 34). Durch die Form wird bestimmt, wie das in ihr Gegebene angeordnet wird, wobei die Form nicht selbst zum Gegebenen zählt oder zu ihm hinzutritt, sondern diesem vorhergeht bzw. zugrundeliegt. Der Raum kann also nicht, wie es im ersten Raumargument heißt, „aus den Verhältnissen der äußeren Erscheinung durch Erfahrung erborgt sein“ (KrV, A 23/B 38), sondern ist, so Kant dann nochmals in § 2, formale Vorstellung der reinen Verhältnisse von gegebenen Gegenständen. Die von Kant im dritten und vierten Raumargument noch weiter ausgearbeitete Erkenntnis, dass der Raum (ebenso wie die Zeit) Anschauung ist, impliziert den schon für das erste Raumargument mitentscheidenden Gedanken, dass die Form als ein Ganzes gegenüber dem, was in ihr gegeben wird, prioritär ist. Im Grunde ist damit bereits ausgeschlossen, den Raum als Möglichkeitsbedingung der Vorstellung äußerer Gegenstände aus dem in ihm Gegebenen ableiten zu wollen. Diese Voraussetzungsbeziehung hat Kant in der Raumschrift von 1768 zum entscheidenden Beweisgrund der Unhaltbarkeit relationaler Raumtheorien gemacht und im ersten Raumargument wieder aufgegriffen (siehe unten Abschnitt 3).
Wenn also der Raum Form der Anschauung ist und daher „äußerlich“ nicht angeschaut werden kann (KrV, A 23/B 37), kann er auch nicht als abstractum behandelt werden, als eine Vorstellung nämlich, die dadurch zustande kommt, dass gegebene Gegenstände angeschaut und auf die ihnen gleichen oder ähnlichen Eigenschaften hin verglichen werden, die sodann zu einer höheren Vorstellung, hier derjenigen des Begriffs des Raumes, abstraktiv zusammengefasst werden. Dies ist nur möglich bei in räumlichen Verhältnissen gegebenen anschaulichen Gegenständen, zu denen der Raum als Form der Anschauung eben nicht gezählt werden kann. Für die Rekonstruktion des ersten Raumarguments hat dieser Befund insofern eine explikative Funktion als der Raum nur dann eine abstrahierte (empirische) Vorstellung oder ein Begriff sein könnte, wenn er tatsächlich äußerlich angeschaut werden könnte, so dass die Möglichkeit bestünde, von der Anschauung oder
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Der Raum ist kein empirischer Begriff
Wahrnehmung voneinander unterschiedener Teilräume bzw. Raumarten den Begriff des Raumes zu abstrahieren. Dass der Raum Form der Anschauung, selbst aber nicht äußerlich anschaulich ist, schließt diese Möglichkeit aus.
Von maßgeblicher Bedeutung für die Verteidigung des ersten Raumarguments gegen seine Kritiker ist der Sinn von „Erörterung“ bzw. „metaphysischer Erörterung“.
„Erörterung“ wird von Kant in der transzendentalen Ästhetik definiert als „expositio“, als
„die deutliche (wenn gleich nicht ausführliche) Vorstellung dessen, was zu einem Begriffe gehört“ (KrV, A 23/B 38). In neuerer Terminologie kann man auch sagen, dass Kant sich eine Begriffsanalyse vornimmt, das heißt eine Analyse dessen, was der Begriff „Raum“ beinhaltet oder was wir durch ihn denken, so dass sich angeben lässt, was der Raum seiner Natur nach ist. Dabei wird eine Erörterung „metaphysisch“ genannt, „wenn sie dasjenige enthält, was den Begriff als a priori gegeben darstellt“ (KrV, A 23/B 38), und dies ist es ja, was Kant im ersten Raumargument zeigen will, nämlich dass der Raum eine Vorstellung a priori und also ein der Erfahrung bzw. Wahrnehmung Vorausgehendes ist.4 Die Exposition des Begriffs des Raumes als einer „metaphysischen Erörterung“ ist offenbar so zu verstehen, dass Kant den Begriff des Raumes als einen Fundamentalbegriff der menschlichen Erkenntnis versteht, als eine Vorstellung, die nicht auf grundlegendere Vorstellungen reduzierbar ist und daher auch nicht aus anderem deduktiv oder abstraktiv abgeleitet werden kann. Dass wir den Begriff des Raumes besitzen und mit ihm bestimmte Vorstellungen verbinden, ist insofern eine irreduzible Erkenntnis, die wir uns durch eine
„metaphysische Erörterung“, also durch Begriffsanalyse evident machen können.
Dieses gewissermaßen evidentielle Verständnis der Funktion der „metaphysischen Erörterung“ wird gestützt durch Kants grundsätzliche Auffassung, dass Sinnlichkeit und Verstand sowie deren komplementäre Vorstellungen, Anschauung und Begriff, in dem Sinne unabhängig voneinander sind, dass sie nicht aufeinander zurückgeführt werden können, und damit also auch der Raum nicht aus den Begriffen des Verstandes deduzierbar
4 Eine Nebenbemerkung zum Ausdruck ‚Begriff des Raumes‘. Der Ausdruck ‚Begriff des Raumes‘ ist objektsprachlich zu verstehen. Wenn Kant diese Wendung gebraucht, will er also nicht sagen, dass wir den
„Raum“ als Begriff vorzustellen haben bzw. dass der Raum begrifflich ist, sondern er verwendet „Begriff“ hier lediglich, um den „Raum“ zu bezeichnen. Denn daraus, dass es den Ausdruck Begriff des Raumes gibt, folgt ebenso wenig, dass der Raum ein Begriff ist, wie daraus, dass es den Ausdruck ‚Begriff des Planeten‘ gibt, nicht folgt, dass Planeten Begriffe sind.
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ist. 5 Kant hat diese Einsicht bereits in seiner Schrift Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum (1768) begründet. Als solches liegt sie auch der Inauguraldissertation De mundi sensibilis (1770) zugrunde. Dort treffen wir bereits auf eine Vorversion des ersten Raumarguments der Kritik der reinen Vernunft, die der Fassung von 1781/1787 sehr nahekommt:
„Der Begriff des Raums wird nicht von den äußeren Empfindungen abgezogen. Denn ich kann nichts als außer mir gesetzt vorstellen, wenn ich es nicht in einem von dem, wo ich bin, verschiedenen Ort vorstelle, und ebenso wenig Sachen außer einander, wenn ich sie nicht in verschiedene Orte des Raumes stelle. Die Möglichkeit äußerer Wahrnehmungen als solcher setzt also die Vorstellung des Raumes voraus und erzeugt ihn nicht; sowie auch das in dem Raum Befindliche die Sinne erregt, während der Raum selbst mit den Sinnen nicht wahrgenommen werden kann.“ (De mundi, AA II:402)6
Diese Vorfassung des ersten Raumarguments stellt zwar nicht explizit die These auf,
„Der Raum ist kein empirischer Begriff“, der Sache nach behauptet es aber dasselbe wie die Fassung von 1781. Der Raum ist keine von „von äußeren Empfindungen abgezogen[er]“ (abstrahitur) „Begriff“ (conceptus), wobei zum einen die Vorstellung von etwas „außer mir“ gleichbedeutend ist mit Ortsverschiedenheit von mir selbst sowie zum anderen die Vorstellung von Gegenständen als „außer einander“ ebenso im Sinne von Ortsverschiedenheit zu verstehen ist. Erwähnt wird in der Vorfassung von 1770, dass der Raum Möglichkeitsbedingung der äußeren Wahrnehmung ist, was Kant 1781 in der Formulierung etwas variiert, indem er sagt, „äußere Erfahrung“ sei durch die
„Vorstellung“ „allererst möglich“ (KrV, A 23/B 38). Dass „der Raum selbst mit den Sinnen nicht wahrgenommen werden kann“, wie es in der Inauguraldissertation heißt, schickt er dem Raumargument von 1781 in dem voranstehenden Absatz voraus. Diese Unterschiede zwischen den beiden Fassungen des ersten Raumarguments sind als nicht gravierend einzuschätzen und können daher vernachlässigt werden. Ich beziehe mich daher im Folgenden auf den Wortlaut des ersten Raumarguments in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft:
5 Zu Details siehe Heidemann (2002).
6 Im lateinischen Original lautet das Argument: „Conceptus spatii non abstrahitur a sensationibus externis. Non enim aliquid ut extra me positum concipere licet, nisi illud repraesentando tanquam in loco, ab eo, in quo ipse sum, diverso, neque res extra se invicem , nisi illas collocando in spatii diversis locis. Possibilitas igitur perceptionum externarum, qua talium, supponit conceptum spatii, non cereat; sicuti etiam, quae sunt in spatio, sensus afficiunt, spatium ipsum sensibus hauriri non potest.” (De mundi, AA II:402).
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Der Raum ist kein empirischer Begriff
„Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden. Denn damit gewisse Empfindungen auf etwas außer mir bezogen werden (d.i. auf etwas in einem andern Orte des Raumes, als darin ich mich befinde), imgleichen damit ich sie als außer und neben einander, mithin nicht bloß verschieden, sondern als in verschiedenen Orten vorstellen könne, dazu muß die Vorstellung des Raumes schon zum Grunde liegen. Demnach kann die Vorstellung des Raumes nicht aus den Verhältnissen der äußeren Erscheinung durch Erfahrung erborgt sein, sondern diese äußere Erfahrung ist selbst nur durch gedachte Vorstellung allererst möglich.“ (KrV, A 23/B 38)
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als besage dieses Argument lediglich, dass der Bezug bestimmter Empfindungen „auf etwas außer mir“ sowie die Vorstellung dieser Empfindungen als an verschiedenen Orten „außer und nebeneinander“ die Vorstellung des Raumes voraussetzt. In einer weiteren Reduktionsform könnte man das Argument auch so formulieren: Um etwas als außer mir und an verschiedenen Orten als außer und nebeneinander vorzustellen, muss der Raum schon vorausgesetzt werden. Diese kahle Rekonstruktion wird dem ersten Raumargument allerdings nicht gerecht, da sie dem Kantischen Beweis die tautologische, zirkuläre oder auch triviale Behauptung unterstellt, dass die Vorstellung von Räumlichem die Raumvorstellung voraussetzt. Dass diese Rekonstruktion oder besser Interpretation das Kantische Argument nicht trifft, lässt sich im einzelnen zeigen. Dabei muss man sich zunächst die zu beweisende These klar machen:
„Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden.“ Kant geht es in dieser These um den Ursprung der Raumvorstellung, und nicht darum, dass der Raum keine empirische oder etwa begriffliche Vorstellung ist. Der Relativsatz „der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden“ deutet augenscheinlich darauf hin, dass Kant empiristische Positionen im Visier hat. Dies ist trotz aller der Formulierung („empirischer Begriff“) geschuldeten Plausibilität jedoch insofern letztlich nicht überzeugend, als relationale Raumtheorien rationalistischer Provenienz hier besser passen. Denn dass Kant Wert darauf legt, zum einen „außer mir“ verstanden wissen zu wollen als „etwas in einem andern Orte des Raumes, als darin ich mich befinde“ sowie „außer und neben einander“ nicht als lediglich intellektuell „verschieden“, „sondern als in verschiedenen Orten“ vorhanden, ist ein klarer Hinweis auf eine besondere terminologische Sachlage. Dem heutigen Leser der Kritik der reinen Vernunft muss es rätselhaft erscheinen, warum Kant
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diese Bedeutungspezifikation eigens erwähnt, scheint es doch klar zu sein, dass Ausdrücke wie „außer mir“ und „außer und neben einander“ räumliche Prädikate sind. Wie sich im folgenden dritten Abschnitt zeigen wird, war dies für den zeitgenössischen Leser der Kritik der reinen Vernunft nicht selbstverständlich, konnten solche Ausdrücke doch auch eine nicht-räumliche Verschiedenheit von mir und voneinander anzeigen.
Zunächst möchte ich jedoch auf einen entscheidenden Aspekt hinweisen, der in Rekonstruktionen und Interpretationen des ersten Raumarguments keine oder doch zumindest kaum Beachtung gefunden hat. Dieser Aspekt betriff die Frage, warum Kant eigentlich von „empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden“ spricht. Hätte Kant nicht ebenso gut sagen können, dass der Raum keine empirische Vorstellung ist, die durch Erfahrung erworben wird, was mit dem dritten und vierten Raumargument besser zusammengepasst hätte, in denen sich der Raum als reine Vorstellung, nämlich als reine Anschauung erweist? Stattdessen formuliert Kant, dass der Raum kein „empirischer Begriff“ ist und fügt ausdrücklich hinzu, dass empirische Begriffe von der „äußeren Erfahrung“ „abgezogen“, das heißt abstrahiert sind, was auf den Raum gerade nicht zutreffen kann. Im Grunde hätte Kant es bei der thetischen Formulierung „Der Raum ist kein empirischer Begriff“ belassen können, ohne noch eigens zu erwähnen, dass er als solcher von der äußeren Erfahrung abstrahiert wäre, was er aber nicht ist. Denn der Ausdruck „kein empirischer Begriff“ enthält ja bereits die Information, dass es sich also nicht um eine (empirisch) abstrahierte Vorstellung handeln kann, um eine Vorstellung also, die eine bestimmte Art der Reflexion erforderlich macht, um sie zu erwerben. Kant bringt damit implizit eine kontrafaktische Annahme ins Spiel, mit der er den entscheidenden Beweisgrund des ersten Raumarguments vorbereitet. Denn wäre der Raum tatsächlich ein empirischer Begriff, was müsste dann der Fall sein? Da alle empirischen Begriffe durch Abstraktion erworben werden, so zumindest nach der auch für Kant gängigen Begriffstheorie seiner Zeit, indem Gegenstände wahrgenommen und durch den Vergleich ihrer Eigenschaften auf gemeinsame Merkmale hin betrachtet werden, um daraufhin einen gemeinsamen Begriff für sie zu bilden, etwa den Begriff „Baum“ durch den Vergleich von in der Anschauung gegebenen Fichten, Buchen, Erlen, Birken etc., müsste folglich auch der Begriff „Raum“ durch eine solche reflektierende Abstraktion gebildet werden. Es müssten also in der äußeren Wahrnehmung unterschiedliche, letztlich ungleichartige
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Der Raum ist kein empirischer Begriff
Raumarten gegeben sein, an denen jeweils spezifische Eigenschaften festgestellt würden, so dass durch Vergleich dieser Eigenschaften erkannt würde, dass diese ansonsten ungleichartigen Raumarten darin übereinkämen, bei aller individuellen Verschiedenheit die Eigenschaft zu teilen, Raum zu sein. Damit wäre „Raum“ eine aus der äußeren Erfahrung abstrahierte Vorstellung, nämlich ein „empirischer Begriff“.
Unter welcher Bedingung würde diese kontrafaktische Annahme überhaupt eine für uns kognitive Möglichkeit darstellen? Sie wäre nur dann eine solche Möglichkeit, wenn sich der Raum, welcher Art er auch sein mag, äußerlich anschauen lassen würde. Dies aber ist, wie Kant im Vorlauf des ersten Raumarguments ausdrücklich sagt, nicht möglich, weil der Raum Form der Anschauung ist, und folglich nicht selbst Gegenstand einer äußeren Wahrnehmung sein kann. Denn äußere Wahrnehmung ist nur möglich durch den äußeren Sinn, durch den wir Gegenstände immer nur „im Raume“ (KrV, A 22/B 37) vorzustellen vermögen. Ungleichartige Raumarten könnten darüber hinaus nur dann von uns angeschaut werden, wenn es eine andere weitere Form der Anschauung gäbe, die es möglich machen würde, Raumarten selbst zu empirischen Gegenständen der äußeren Wahrnehmung zu machen. Im Grunde müsste es sich bei dieser Form der Anschauung um eine Meta-Form handeln, die in Bezug auf ihre Gegenstände (ungleichartige Raumarten) dieselbe Funktion erfüllt wie der Raum als Form unserer Anschauung in Bezug auf die uns möglichen äußeren Gegenstände. De facto ist eine solche Meta-Form der Anschauung keine für den Menschen mögliche, begrifflich positiv bestimmbare Art der kognitiven Bezugnahme auf etwas Äußeres.7
Die These sowie der sich anschließende Beweis des ersten Raumarguments müssen demnach ausschließen, dass die Vorstellung des Raumes das Resultat eines abstrahierenden Reflexionsprozesses ist, der es erlauben würde, aus spezifischen Eigenschaften des Räumlichen, die in der Anschauung selbst wahrgenommen werden müssten, eine Eigenschaft bzw. eine Komplexion aus Eigenschaften auszusondern, durch
7 Auch Unruh (2006, S. 171-177) erörtert in m. E. zutreffender Weise den für das erste Raumargument relevanten Aspekt des empirischen Begriffs als abstrahierte Vorstellung. Dass der Raum im hier geschilderten Sinne nicht äußerlich angeschaut werden kann, lässt er dabei jedoch außer Acht, so dass in seiner Rekonstruktion letztlich nicht ersichtlich wird, warum der Raum ein Zugrundeliegendes ist, nämlich weil er Form ist. Unruh beschränkt sich auf den Hinweis, dass der Raum zugrundeliegt, weil das Empfinden von etwas außer mir und außereinander als solches nicht selbst empfunden wird und daher das
„Räumlichsein der Dinge“ schon vorauszusetzen sei. Dieses Zugrundeliegen aber lässt sich nur behaupten, weil der Raum Form und nicht Materie der Anschauung ist.
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die sich der Raum als begriffliche Vorstellung erweist. Zwar nimmt Kant, wie bereits angedeutet, im ersten Raumargument noch nicht die Unterscheidung zwischen Anschauung und Begriff als solche in Anspruch, doch kommt der Beweis nicht ohne den Gedanken aus, dass der Raum gegenüber dem in ihm Gegebenen Priorität genießt. Dieser Prioritätsstatus kann nur dadurch gesichert werden, dass der Raum als Ordnungsgrundlage für das in ihm Gegebene reine „Form“ der Anschauung ist wie Kant bereits in § 1 der transzendentalen Ästhetik bemerkt.8 Es ist die Tatsache, dass der Raum Form und nicht zugleich auch Materie der Anschauung ist, die das Zugrundeliegen des Raumes für jegliche Bestimmung von Ortsverschiedenheit begründet. Diese Voraussetzungsbeziehung hat Kant bereits 1768 in der Schrift Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum in für das erste Raumargument ausschlaggebende Weise konzipiert. Da in dieser Schrift Leibniz‘ relationale Raumtheorie den Hintergrund bildet, ist zunächst zu überlegen, ob ein solcher Hintergrund auch für das erste Raumargument eine Rolle spielt.
Kant äußert sich an keiner Stelle der in Frage kommenden Schriften dazu, auf wen das erste Raumargument gemünzt ist. Tatsächlich gibt das Argument selbst auch keinen direkten Hinweis auf entsprechende historische Hintergründe. Die Identifikation der Anspielungen Kants ist in diesem Zusammenhang keine bloße philosophiegeschichtliche Fingerübung, sondern hat für das Argument selbst explanatorischen Wert. Denn es darf vermutet werden, dass die Bekanntschaft mit den konkreten historischen Hintergründen zugleich Aufschluss über Kants nähere Beweisabsichten im ersten Raumargument gibt. Es liegt nicht fern, zunächst empiristische Theorien ins Spiel zu bringen. Vor allem Locke bietet sich als Projektionsfläche des ersten Rauarguments an, nicht zuletzt weil Locke für den kritischen Kant ein ebenso wichtiger philosophischer Gesprächspartner wie Gegner ist. Und dies könnte gerade in diesem Kontext der Fall sein. Denn gemäß Locke ist die Idee des Raumes eine einfache Idee, die erworben wird
8 Da Kant den Begriff „Form“ bereits in §1 eingeführt hat, darf er für das erste Raumargument geltend gemacht werden, auch weil das zweite, dritte und vierte Raumargument den Begriff „Form“ gar nicht erwähnen und also auch nicht allererst begründen. Richtig ist allerdings, dass Kant in den „Schlüssen“ (KrV, A 26/B 42) die Bestimmung der „Form“ als Folgerung aus dem Vorhergehenden darstellt. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass er den Begriff „Form“ bereits in §1 eingeführt und auch erläutert hat.
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Der Raum ist kein empirischer Begriff
[…] by our Sight, and Touch; which I think, is so evident, that it would be as needless, to go to prove, that Men perceive, by their Sight, a distance between Bodies of different Colours, or between the parts of the same Body; as that they see Colours themselves: Nor is it less obvious, that they can do so in the Dark by Feeling and Touch.“ (Essay II, chapter XIII, § 2)9
Da einfache Ideen nach Locke unzusammengesetzt sind und daher nicht definiert werden können, ist die Idee des Raumes für ihn eine fundamentale Vorstellung, deren Erwerb sich aber gleichwohl erklären lässt. Locke ist der Auffassung, dass wir durch visuelle und taktile Wahrnehmungen die Entfernung und damit die Distanz zwischen zwei Körperdingen sowie zugleich die Länge, Breite und Tiefe („Length, Breadth, and Thickness“), und damit die Ausdehnung („Extension“) von Körperdingen erfassen (Essay II, chapter XIII, § 3). Auf diese Weise entwickelt sich die Idee des Raumes in ihrer gesamten Komplexität aufgrund äußerer Wahrnehmung von Körperdingen und der zwischen ihnen bestehenden räumlichen Beziehungen. Da Locke die Idee des Raumes als eine empirisch durch Wahrnehmung räumlicher Verhältnisse erworbene Vorstellung begreift, also von gegebenen räumlichen Verhältnissen den Begriff des Raumes abstrahiert, scheint er klarerweise ein möglicher Adressat des ersten Raumarguments zu sein, zumal Kant mit dem Lockeschen Empirismus der Ideen in Grundzügen durchaus vertraut war. In aller Grundsätzlichkeit lässt sich das erste Raumargument daher durchaus auf den Lockeschen relationalen Raumbegriff beziehen. Gegen den Locke-Hintergrund sprechen allerdings die Details der Beweisführung des ersten Raumarguments, wie wir noch sehen werden, so dass man eher vermuten könnte, dass Kant trotz der Formulierung „kein empirischer Begriff“ rationalistische Lehren, insbesondere die Theorie Leibniz‘, im Visier hat, zumal er sie in ähnlichem Sachzusammenhang bereits in der Raumschrift von 1768 attackiert hat.
Tatsächlich scheint die Leibnizsche Theorie des Raumes dem zu entsprechen, wogegen sich Kant im ersten Raumargument ausspricht. Geradezu kanonisch ist Leibniz‘ Bestimmung des Raumes als Ordnung des Koexistierenden: „J’ay demontré que l’espace n’est autre chose qu’un ordre de l’existence des choses, qui se remarque dans leur
9 Lockes An Essay Concerning Human Understanding wird unter Angabe des Buches, Kapitels und Paragraphen wird in modernisierter Schreibweise zitiert nach der Ausgabe von P. H. Nidditch (Hrsg.), Oxford 1975.
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simultaneité.“ (Nouveaux Essays, VII, S. 395).10 Die Bestimmung der Ordnung ist dabei im Zusammenhang des ersten Raumarguments zunächst nicht entscheidend. Worauf es ankommt, ist die Qualifikation des Raumes als relativ bzw. relational wie Leibniz zum Beispiel im Briefwechsel mit Clarke gegen die Newtonsche Theorie des absoluten Raumes betont:
Ces Messieurs soutiennent donc, que l’Espace est un être reel absolu; mais cela les mene à de grandes difficultés. Car il paroist que cet Etre doit être Eternel et infini. C’est pourquoy il y en a qui ont crû que c’estoit Dieu luy même, ou bien son attribut, son immensité. Mais comme il a des parties, ce n’est pas une chose qui puisse convenir à Dieu. […] Pour moy, j’ay marqué plus d’une fois, que je tenois l’Espace pour quelque chose de purement relatif, comme le Temps; pour un ordre des Coexistences, comme le temps est un ordre de successions. Car l’espace marque en termes de possibilité un ordre des choses qui existent en même temps, en tant qu’elles existent ensemble, sans entrer dans leur manieres d’exister particulieres: et lors qu’on voit plusieurs choses ensemble, on s’apperçoit de cet ordre des choses entre elles. (Leibniz-Clarke-Briefwechsel, VII, S. 363)11
Ganz offensichtlich trifft Leibniz‘ Raumauffassung genau das, was Kant im ersten Raumargument kritisiert, nämlich dass „die Vorstellung des Raumes […] aus den Verhältnissen der äußeren Erscheinung durch Erfahrung erborgt sei[].“ (KrV, A 23/B 38; vgl. A 373) Dass Leibniz kein Empirist ist und die für ihn fundamentale Idee des Raumes doch eigentlich nicht aus der Erfahrung herleitet, sollte keine Schwierigkeit darstellen, da dadurch nicht Leibniz‘ rationalistische Prinzipientheorie als solche tangiert wird. Auf jeden Fall behauptet Leibniz, dass der Raum als Ordnung des Koexistierenden erfasst wird aufgrund der Wahrnehmung koexistierender Dinge – Kant sagt „Erscheinung“, was eine Anspielung auf Leibniz‘ phenomenon bene fundatum sein mag – und der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen. Auch wenn sich damit ein Leibniz-Hintergrund des ersten Raumarguments nahelegt oder ähnlich wie im Fall Lockes zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, so bleibt dennoch ungeklärt, worauf sich dann Kants Bemerkungen zum
„außer mir“ und „außer und neben einander“ beziehen. Denn diese spezifischen Bestimmungen, auf die es im ersten Raumargument ankommt, sind für Leibniz in dieser Form zunächst nicht zentral, auch wenn die Relationalität seines Raumbegriffs in der für
10 Leibniz (1882).
11 Leibniz (1890).
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das Argument einschlägigen Weise unübersehbar ist. Die Relationalität des Raumes als Ordnungssystem, dem gegenüber den Dingen in ihm keine Priorität zukommt, ist ja diejenige Position, die Kant bereits 1768 angreift.
Worauf aber zielen nun Kants Bemerkungen zum „außer mir“ und „außer und neben einander“ im ersten Raumargument? Im ersten Abschnitt wurde bereits darauf hingewiesen, dass Kant im dezidiert räumlichen Sinne zum einen von „außer mir“ als
„etwas in einem andern Orte des Raumes, als darin ich mich befinde“ sowie von „außer und neben einander“ als „in verschiedenen Orten“ (KrV, A 23/B 38) spricht. Baum hat in seiner Abhandlung zeigen können, dass Kant sich mit diesen Spezifikationen wohl auf die von Lambert im Neuen Organon vorgetragene Kritik an Wolffs Raumbegriff bezieht. Wolff berücksichtige in seiner Theorie nicht, so Lambert, dass Begriffe wie ‚außer mir/uns’ und ‚auseinander’ ambigue sind, da sie sowohl meinen können, dass Gegenstände im intellektuellen Sinne verschieden von mir sind, zum anderen und darüber hinaus aber auch, dass sie im räumlichen Sinne außer mir sind. Die Ambiguität von Begriffen wie
„außer mir“ und „außer und neben einander“ habe daher bei Wolff zu weitreichenden Konfusionen geführt. Dies ist es, so Baum, was Kant im ersten Raumargument aufgreife und richtig zu stellen versuche. 12 Der von Baum bei Lambert nachgewiesene Wolff- Hintergrund stellt einen entscheidenden Fortschritt in der Interpretation des ersten Raumarguments dar, das ohne Berücksichtigung dieses Hintergrundes unverständlich bleiben muss. Allerdings lässt sich das Argument noch über die Erläuterungen Baums hinaus in sachlich wichtiger Hinsicht weiter erhellen, wenn man Wolffs Ausführungen zum Raum in der Deutschen Metaphysik hinzuzieht.
Wolffs Theorie des Raumes stellt eine Version der Leibnizschen Raumlehre dar. Wie bei Leibniz müssen wir nach Wolff „den Raum fuer die Ordnung derer Dinge annehmen, die zugleich sind.“ Für Wolff heißt dies zugleich: „Und also kann kein Raum seyn, wenn nicht Dinge vorhanden sind, die ihn erfuellen“ (Deutsche Metaphysik, § 46).13 Diese von Wolff behauptete Abhängigkeit des Raumes von den Gegenständen in ihm, gilt Kant im ersten Raumargument als unhaltbar, da der Raum als Form ja gerade unabhängig ist von der Materie, die ihn erfüllt, indem er der äußeren Erfahrung zugrunde liegt. Insofern kann Wolff als Adressat des ersten Raumarguments gelten. Diese Annahme lässt sich noch
12 Vgl. Baum (1996, S. 59-62).
13 Wolff (1741).
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weiter erhärten. Denn Wolff beschränkt sich nicht darauf, den Raum als die Ordnung des Koexistierenden zu begründen, sondern zeigt detaillierter als Leibniz, wie die Vorstellung des Raumes überhaupt entsteht. Den Ausgangpunkt bildet bei Wolff typischerweise das
„auf uns acht haben“, das heißt die Selbstbeobachtung, durch die „wir uns vieler Dinge als ausser uns bewusst sind“ (Deutsche Metaphysik, § 45). Dass wir uns dieser Dinge als
„ausser uns“ bewusst sind, lasse sich dadurch erweisen, dass wir sie als „von uns verschieden“ erkennen (Deutsche Metaphysik, § 45). Das „ausser uns“-Sein der Dinge ergibt sich für Wolff also aus ihrem „von uns verschieden“-Sein. Zudem „setzen“ wir Dinge „auch ausser einander, indem wir erkennen, daß sie voneinander unterschieden sind“ (Deutsche Metaphysik, § 45). Demnach bedeutet das „ausser einander“-Sein der Dinge ihr „voneinander unterschieden“-Sein. Daraus schließt Wolff, dass wenn
„verschiedene Dinge zugleich“ sind, sie als „eines ausser dem anderen“ vorgestellt werden müssen, „weil es […] unmoeglich faellet zu gedencken, es koennten zwey verschiedene Dinge eines allein seyn […] es […] auch unmoeglich ist, sich eines in dem anderen vorzustellen.“ (Deutsche Metaphysik, § 45) Die Vorstellung des Raumes als Ordnung des Zugleichseienden liegt nun darin begründet, dass „viele Dinge, die zugleich sind, und deren eines das andere nicht ist, als ausser einander vorgestellt werden“: „so entsteht dadurch unter ihnen eine gewisse Ordnung“ und indem wir diese Ordnung vorstellen,
„stellen wir uns den Raum vor“ als die Ordnung der Dinge, „die zugleich sind“ (Deutsche Metaphysik, § 46).
Dass die Dinge „ausser uns“ und mithin „von uns verschieden“ sind sowie dass sie
„auch ausser einander“ und mithin „voneinander unterschieden“ sind, folgt nach Wolff also daraus, dass zwei verschiedene Dinge nicht identisch („eines allein“) sein können. Dies behauptet Wolff durch den Satz vom zu vermeidenden Widerspruch (Deutsche Metaphysik, § 10) sowie durch Überlegungen zur Identität von Gegenständen (Deutsche Metaphysik, § 17) bewiesen zu haben. Wolff führt nun weiter aus, dass sich auch der „Ort“ der Dinge aus ihrem Zugleichsein ableiten lasse, das heißt „wie ein Ding neben andern zugleich da ist“ (Deutsche Metaphysik, § 47), was ebenso für die „Stellung eines Dinges gegen die andern“ und die „Weite eines Dinges von dem anderen“, aber auch für die
„Gegenden“ des Raumes gelte, um dann zu unterstreichen: „Wir gehen hier bloß auf dasjenige, was sich deutlich begreiffen laesset.“ (Deutsche Metaphysik, §§ 47-48). Meines
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Erachtens handelt es sich hier um den sachlich entscheidenden Punkt, den Kant im ersten Raumargument kritisiert, nämlich dass sich das „ausser uns“-Sein und mithin „von uns verschieden“-Sein sowie das „ausser einander“-Sein und mithin das „voneinander unterschieden“-Sein der Dinge nach Wolff rein begrifflich erweisen lässt, indem wir uns auf die Deutlichkeit unseres Vorstellens und mithin des bloßen Begreifens stützen. Nach Wolff ist es offenbar möglich, allein anhand modaler Überlegungen mittels rationaler Prinzipien wie den Satz vom zu vermeidenden Widerspruch festzustellen, was es heißt, dass Dinge „außer mir“ und als solche „ausser einander“ sind. Wolff scheint der Auffassung zu sein, dass das „ausser uns“-Sein der Dinge aus ihrem bloßen „von uns verschieden“-Sein folge und dass das „ausser einander“-Sein aus ihrem bloßen
„voneinander unterschieden“-Sein folge, und zwar aus rein begrifflichen Gründen. Zwar handelt es sich hierbei um eine im Grunde rein logische Reflexion, die die Prinzipien des Denkens zu den Prinzipien der Möglichkeit der Dinge selbst macht, doch geht Wolff dabei davon aus, dass die Dinge empirisch vorhanden sein müssen, die den Raum erfüllen. Das heißt das Sein der Dinge selbst im Raum wird nicht bloß begrifflich erwogen, sondern durch Selbstbeobachtung festgestellt. Diese Auffassung bestreitet Kant den rationalistischen Theorien des Raumes, insbesondere derjenigen Leibniz‘, bereits in der Schrift Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum (1768). Die dort gegen Leibniz (und seine Anhänger) entwickelten Einwände zeigen letztlich, warum Kant im ersten Raumargument überhaupt der Auffassung sein kann, dass wenn ich Gegenstände als „außer mir“ bzw. als „außer und neben einander“ vorstelle, ich sie damit im Raum vorstellen muss, da die „Vorstellung des Raumes“ der äußeren Erfahrung schon zugrundliegt. Auf die von Kant in dieser Schrift geltend gemachten Gründe ist nun abschießend eizugehen.
Dass die 1768 publizierte Schrift Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum eine Vorform des ersten Raumarguments enthält oder dieses doch wesentlich vorbereitet, wurde von der Forschung kaum einmal gesehen. Bemerkt wird dieser Zusammenhang aber von Jill Vance Buroker, die in ihrer exzellenten Studie zu Raum und Inkongruenz bei Kant festhält, das erste Raumargument sei „completely compatible with
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the conclusion of the Regions of Space, that space exists prior to the objects it contains.“14 Die Parallelen zwischen den in den beiden Texten erörterten Sachproblemen liegen auf der Hand. Auch wenn Kant 1768 noch der Theorie des absoluten Raumes anhängt, ist sein Grundgedanke hier doch weitgehend derselbe wie derjenige des ersten Raumarguments. Während die Raumschrift zeigt, „[…] daß nicht die Bestimmungen des Raumes Folgen von den Lagen der Theile der Materie gegen einander, sondern diese Folgen von jenen sind“ (AA II 383), demonstriert das erste Raumargument, dass die „Vorstellung des Raumes nicht aus den Verhältnissen der äußeren Erscheinung durch Erfahrung erborgt sein [kann], sondern diese äußere Erfahrung ist selbst nur durch gedachte Vorstellung allererst möglich.“ (KrV, A 23/B 38) Allerdings ist die ursprüngliche Problemlage 1768 eine andere als 1781/1787. In der transzendentalen Ästhetik argumentiert Kant für den Raum als reine Form der sinnlichen Anschauung. Diese Absicht verfolgt er 1768 noch nicht, auch wenn er bereits 1770 in De Mundi Sensibilis eine Raumtheorie vertritt, die in ihren Grundzügen mit derjenigen der Kritik der reinen Vernunft weitgehend übereinstimmt. In der Raumschrift von 1768 geht es Kant hingegen um „den ersten Grund der Möglichkeit desjenigen, wovon [Leibniz] die Größen mathematisch zu bestimmen vorhabens war.“ (AA II:377), oder wie Kant auch sagt, um den Nachweis, „daß der absolute Raum unabhängig von dem Dasein aller Materie [sei] und selbst als der erste Grund der Möglichkeit ihrer Zusammensetzung eine eigene Realität habe.“ (AA II:378). Kants Absicht in der Raumschrift ist es mithin, eine Abhängigkeitsrelation aufzuweisen zwischen der Vorstellung des Raumes auf der einen und den räumlichen Beziehungen, die zwischen Okkupanten des Raumes bestehen, auf der anderen Seite, und zwar dergestalt, dass die Bestimmung von Lagebeziehungen der Teile von der Vorstellung des Raumes abhängt und nicht umgekehrt die Vorstellung des Raumes von der Bestimmung von Lagebeziehungen der Teile. In Von dem ersten Grunde interessiert sich Kant also nicht für Körperdinge als solche, deren Lokalisation der Raum zugrundeliegt, sondern für „die Lagen der Theile des Raums in Beziehung auf einander“. Diese „setzen“, so Kant, die „Gegend voraus, nach welcher sie in solchem Verhältniß geordnet sind“ (AA II:377). Wenn dem aber so ist, dann „besteht die Gegend nicht in der
14 Vgl. Buroker (1981, S. 76). Buroker ist dabei der Auffassung, dass Leibniz wie in der Raumschrift von 1768 auch der Adressat des ersten Raumarguments ist. Wie wir gesehen haben, sind Kants Spezifikationen des „ausser mir“ und „ausser einander“ aber wohl auf Wolff gemünzt. Die Kompatibilität des ersten Raumarguments mit dem Argument für die Inkongruenz der Gegenstücke in Von dem ersten Grunde gilt analog auch für die Prolegomena, wo Kant in den §§10 bis 12 zunächst für die Nicht-Empirizität des Raumes argumentiert, um dann in §13 noch einmal auf die inkongruenten Gegenstücke zurückzukommen.
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Beziehung eines Dinges im Raume auf das andere, welches eigentlich der Begriff der Lage ist, sondern in dem Verhältnisse des Systems dieser Lagen zu dem absoluten Weltraume.“ (AA II:377) Entscheidend ist dabei, dass die Lage der Teile eines Körpers durch die Betrachtung des Körpers selbst bestimmt werden kann, indem man die Orte der Teile bestimmt. Die Ausrichtung der Ordnung der Teile aber lässt sich nur in Beziehung „auf den allgemeinen Raum als eine Einheit, wovon jede Ausdehnung wie ein Theil angesehen werden muß“, bestimmen (AA II:378).
Diesen Sachverhalt will Kant in der Raumschrift aufweisen, und zwar nicht nur hinsichtlich der bestehenden Abhängigkeit der Ausrichtung der Ordnung der Teile vom Raum, sondern vor allem auch hinsichtlich der Frage, wie diese Abhängigkeit überhaupt erfasst wird. Gegen Leibniz meint Kant den Nachweis dafür erbringen zu können, dass es bestimmte Tatsachen hinsichtlich der Beschaffenheit des Raumes bzw. räumlicher Wahrnehmung gibt, die sich nicht begrifflich erfassen lassen. Dagegen muss Leibniz nach Kantischem Verständnis behaupten, dass sich die Gesamtheit dieser Tatsachen nur durch deutliches Vorstellen, das heißt durch Begriffe erfassen lässt. Kants Strategie besteht nun darin, anhand eines unleugbaren räumlichen Phänomens, des Phänomens inkongruenter Gegenstücke, zu zeigen, dass der Raum (letztlich die Anschauung) gegenüber den Gegenständen, die ihn erfüllen, eine eigene Realität besitz. Denn nur dann, wenn dieser Nachweis erbracht ist, lässt sich überhaupt zeigen, dass, wie das erste Raumargument behauptet, „die Vorstellung des Raumes“ aller äußeren Erfahrung immer „schon zum Grunde liegen“ muss und insofern der Raum als vorgestelltes Ganzes gegenüber den Gegenständen, die ihn erfüllen, prioritär ist.
Um den Sachzusammenhang zwischen der Raumschrift von 1768 und dem ersten Raumargument aufzuweisen, ist es nicht erforderlich, Kants Beweis der Inkongruenz der Gegenstücke in allen Einzelheiten zu rekonstruieren. 15 Für die Zwecke dieser Überlegungen reicht es, Kants Argumentation in Grundzügen nachzuvollziehen. Um beweisen zu können, dass der Raum gegenüber den Gegenständen in ihm Priorität besitzt, muss, wie oben angedeutet, gezeigt werden, dass dem Raum gegenüber seinen Okkupanten eine eigene Realität zukommt. Kant muss folglich darlegen, dass Leibniz‘ Theorie des
15 Der Beweis ist weit über die Kant-Forschung hinaus umstritten, da sich mit mathematischen Mitteln sehr wohl zeigen lassen, so ein gängiger Einwand, wie sich das Phänomen inkongruenter Gegenstücke rein begrifflich beschreiben lässt. Siehe hierzu Burocker (1981) und Van Cleve/Frederick (1991).
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relationalen Raumes, die dem Raum diese Realität bzw. Priorität nicht zugesteht, unhaltbar ist. Kant geht so vor, dass er zunächst die inneren Verhältnisse des Wahrnehmungsraumes, um den es geht, auf der Grundlage von Propriorezeption einführt:
„In dem körperlichen Raume lassen sich wegen seiner drei Abmessungen drei Flächen denken, die einander insgesammt rechtwinklicht schneiden. Da wir alles, was außer uns ist, durch die Sinnen nur in so fern kennen, als es in Beziehung auf uns selbst steht, so ist kein Wunder, daß wir von dem Verhältniß dieser Durchschnittsflächen zu unserem Körper den ersten Grund hernehmen, den Begriff der Gegenden im Raume zu erzeugen.“ (AA II:378-379).
Auf diese Weise lassen sich oben-unten, rechts-links sowie vorne-hinten als unterschiedliche Gegenden des Raumes unterscheiden (AA II:379). Kant weist nun darauf hin, dass etwa die geographische Lagestimmung von Orten nicht möglich ist, „wenn wir die so geordnete Dinge und das ganze System der wechselseitigen Lagen nicht durch die Beziehung auf die Seiten unseres Körpers nach den Gegenden stellen können.“ (AA II:379-380). Für die Kantische Beweisabsicht ausschlaggebend ist letztlich der Nachweis, dass aus der Kenntnis der Lageanordnung der Teile eines Körperdinges der
„Bestimmungsgrund der körperlichen Gestalt“ dieses Dinges nicht vollständig erfasst werden kann, sondern die, wie Kant sich ausdrückt, „Beziehung gegen den allgemeinen absoluten Raum“ berücksichtigt werden muss. Die Unterschiede der Körper selbst lassen sich dabei zwar wahrnehmen, die Beziehung, die ein Körperding zum „absoluten Raum“ einnimmt, jedoch nicht. Was dies heißt, verdeutlicht Kant an den von ihm sogenannten inkongruenten Gegenstücken. Das für ihn „klärste Beispiel haben wir an den Gliedmaßen des menschlichen Körpers, welche gegen die Verticalfläche desselben symmetrisch geordnet sind“:
„Die rechte Hand ist der linken ähnlich und gleich, und wenn man bloß auf eine derselben allein sieht, auf die Proportion und Lage der Theile unter einander und auf die Größe des Ganzen, so muß eine vollständige Beschreibung der einen in allen Stücken auch von der andern gelten. “ (AA II:381)
Dass die „vollständige Beschreibung“ der rechten Hand durch diejenige der linken Hand und umgekehrt ersetzbar sei, bezieht sich zum einen auf die Leibnizsche Lehre vom
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vollständig bestimmten Begriff, derzufolge die individuelle Substanz durch alle ihr zukommenden Prädikate, ihre räumliche Lokalisation eingeschlossen, bestimmt werden kann, sowie zum anderen auf Leibniz’ Prinzip der Identität des Nichtzuunterscheidenden.16 Wendet man diese Lehre bzw. dieses Prinzip auf das Phänomen der inkongruenten Gegenstücke an, so hieße dies gemäß Leibniz‘ Metaphysik, dass die rechte und die linke Hand aufgrund wechselseitiger Ersetzbarkeit ihrer vollständigen Beschreibungen als identische Dinge zu gelten hätten. Eben dies ist nach Kant aber nicht der Fall. Denn wie das Beispiel der rechten und linken Hand klar macht, bleibt bei inkongruenten Gegenstücken ein innerer Unterschied zurück, der als solcher wahrnehmbar und real ist, obwohl Beschreibungsidentität besteht, die eigentlich jegliche Unterscheidbarkeit ausschließt. Trotz Beschreibungsidentität kann jedoch die „Oberfläche“, die die linke Hand
„beschließt“, nicht diejenige der rechten „einschließen“, gleich wie man die linke und rechte Hand im Raum dreht und wendet. Daher muss der Unterschied der linken von der rechten Hand einen nach Kant „inneren Grund[]“ haben, der durch ihre „vollständige Beschreibung“ nicht erfasst wird. Daraus schlussfolgert Kant,
„[…] daß nicht die Bestimmungen des Raumes Folgen von den Lagen der Theile der Materie gegen einander, sondern diese Folgen von jenen sind, und daß also in der Beschaffenheit der Körper Unterschiede angetroffen werden können und zwar wahre Unterschiede, die sich lediglich auf den absoluten und ursprünglichen Raum beziehen, weil nur durch ihn das Verhältniß körperlicher Dinge möglich ist, und daß, weil der absolute Raum kein Gegenstand einer äußeren Empfindung, sondern ein Grundbegriff ist, der alle dieselbe zuerst möglich macht, wir dasjenige, was in der Gestalt eines Körpers lediglich die Beziehung auf den reinen Raum angeht, nur durch die Gegenhaltung mit andern Körpern vernehmen können.“ (AA II:383)
Gemäß dieser Argumentation kommt dem Raum eine eigene Realität zu, so dass sich die Priorität des Raumes, der 1768 noch der absolute Raum ist, erst aufgrund dieser von Kant gezogenen Schlussfolgerung beweisen lässt. Damit ist das Argument der ersten Raumerörterung der transzendentalen Ästhetik vorgeprägt. Wenn die Vorstellung des Raumes aufgrund der Wahrnehmung numerisch verschiedener Gegenständen entsteht,
16 In der Kritik der reinen Vernunft setzt sich Kant mit Leibniz‘ „principium identitatis indiscernibilium“ (A 264/B 320) in der „Amphibolie der Reflexionsbegriffe“ auseinander. Zur Bedeutung der „Amphibolie“ für die Frage nach der numerischen Verschiedenheit der Gegenstände im ersten Raumargument siehe Warren (1998, S. 192-195).
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müssen diese Gegenstände auch als voneinander vererschieden wahrgenommen werden, was nur möglich ist, wenn sie unterschiedliche Orte einnehmen. Denn numerisch distinkte Gegenstände können nicht zugleich am selben Ort existieren. Da Orte Teile des Raumes sind, muss also „die Vorstellung des Raumes schon zum Grunde liegen“ (KrV A 23/B 38), um Gegenstände unterscheiden zu können, und zwar, worauf Buroker völlig zutreffend hinweist, sowohl hinsichtlich der Verschiedenheit vom wahrnehmenden Subjekt als auch hinsichtlich der Verschiedenheit der Gegenstände voneinander. 17 Also setzt die Verschiedenheit der Dinge sowohl von mir selbst als auch voneinander den Raum voraus.
Das im ersten Raumargument wahrscheinlich gegen Wolff erörterte Verschiedensein der Dinge thematisiert folglich bereits die Raumschrift von 1768. Auch hier lässt sich die
„Verschiedenheit“ (AA II: 382) der Dinge nicht aus rein logischen oder begrifflichen Gründen erklären, sondern macht es erforderlich, einen eigenständigen, vom deutlichen, das heißt begrifflichen Vorstellen unterschiedenen Grund anzusetzen. In Von dem ersten Grunde attackiert Kant damit nicht nur die Leibnizsche Theorie des relationalen Raumes, sondern darüber hinaus seine Lehre vom klaren und deutlichen Vorstellen. Wenn, wie in Leibniz‘ Theorie, wahre Erkenntnisse durch klares und deutliches Vorstellen begrifflich erfasst werden, das sinnliche Vorstellen hingegen dunkel, undeutlich und nicht zu wahrer Erkenntnis führt, so weist Kants Argumentation in der Raumschrift nicht nur die Eigenständigkeit und Priorität des Raumes gegenüber den ihn erfüllenden Gegenständen auf, sondern auch dass Leibniz Lehre vom klaren und deutlichen Vorstellen unhaltbar ist. Denn dass im Falle inkongruenter Gegenstücke wahre Unterschiede zwischen Körperdingen bestehen, die durch klares und deutliches Vorstellen nicht hinreichend erfasst werden, beweist, dass die Unterscheidung zwischen sinnlichem und begrifflichem Erkennen anhand der graduellen Unterscheidung von undeutlichem und deutlichem Vorstellen verfehlt ist. In De mundi sensibilis macht Kant Wolff und implizit Leibniz den Vorwurf, diese Lehre „zum großen Schaden der Philosophie” (AA II:395) vertreten zu haben:
„Hieraus erhellt, daß mit Unrecht die sinnliche Erkenntniß als eine verworrene, und die Verstandeserkenntniß als eine deutliche erklärt wird. Denn dies sind nur logische Unterschiede, welche das Gegebene, was aller logischen Vergleichung unterliegt, gar nicht
17 Vgl. Buroker (1981, S. 76).
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berühren. Die sinnlichen Begriffe können sehr deutlich und die des Verstandes sehr verworren sein. Jenes zeigt sich in dem Urbild der sinnlichen Erkenntniß, in der Geometrie; dieses in dem Werkzeuge aller Verstandesbegriffe, der Metaphysik, von der es allbekannt ist, daß sie trotz aller angewandten Mühe die Nebel der Verwirrung, welche den gewöhnlichen Verstand verdunkeln, nicht immer mit so glücklichem Erfolg, wie jene, vertreiben kann.” (AA II:394-395)
Diese Kritik, deren eigentliche Begründung bereits in der Raumschrift erfolgt und in der Inauguraldissertation sowie den kritischen Schriften weitergeführt wird, stellt den Umschlagpunkt im Kantischen Denken dar, mit dem eine echte philosophische Innovation vorbereitet wird, die Unterscheidung der Anschauung als repraesentatio singularis vom Begriff als repraesentatio generalis, letztlich also von Sinnlichkeit und Verstand als den beiden irreduziblen Quellen menschlicher Erkenntnis. Auch wenn diese Fundamentaldifferenz im ersten Raumargument noch nicht in Anspruch genommen werden kann, so muss dessen Beweis doch zumindest von der Priorität der Form gegenüber der Materie der Erscheinung ausgehen, selbst wenn man dem Argument als solchen eine nur negative Funktion zugestehen mag. Denn wie sollte man diese Priorität überhaupt verstehen können, wenn nicht dadurch, dass der Raum ein Formganzes ist, das dem vorausgehen muss, was ihn erfüllt.
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International Journal of Philosophy
N.o 7, Junio 2018, pp. 19-43 43
ISSN: 2386-7655
Doi: 10.5281/zenodo.1298468