CON-TEXTOS KANTIANOS.
International Journal of Philosophy
N.o 8, Diciembre 2018, pp. 200-217
ISSN: 2386-7655
Doi: 10.5281/zenodo.2331220
The unfinishable labour of finite marxism: A materially anchored labour of the concept without essentialism or
reductionism
FRIEDER OTTO WOLF1
Freie Universität Berlin, Deutschland
Dieser Aufsatz entfaltet die Implikationen des endlichen Charakters der Gegenstände von Marx‘ epistemologischen Durchbrüchen in seiner Kritik der politischen Ökonomie bzw. in seiner Kritik der Politik, entwickelt eine klare Unterscheidung zwischen marxistischer Wissenschaft und marxistischer Politik, und kontrastiert diesen ‚endlichen Marxismus‘, welcher auf dieser Grundlage daran arbeitet, diese unvollendeten Durchbrüche zu festigen und weiter auszubauen, mit der in jüngerer Zeit vertretenen Konzeption eines „postmodernen Marxismus“. Weiterhin entfaltet er, was die Rolle einer erneuerten marxistischen Philosophie sein sollte, welche eine effektive marxistische Praxis in den Bereichen der wissenschaftlichen Ausarbeitung und einer auf Transformation angelegten Politik als solche in der Ausarbeitung unterstützt und weiterhin reflektiert. Er vertritt die Auffassung, dass ein derartiger, bewusst endlicher Marxismus sowohl einen Beitrag dazu leisten kann, die Probleme zu überwinden, auf die eine weitere Ausarbeitung marxistischer Wissenschaft und Politik als solcher immer wieder stößt, als auch dazu beiträgt, dass der Marxismus die Fähigkeit entwickelt, ein wechselseitiges Verständnis, sowie eine gezielte
1 Freie Universität Berlin, Institut für Philosophie <www.friederottowolf.de>.
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Die unabschließbare Aufgabe des endlichen Marxismus
Bündnisarbeit mit radikal feministischen, dependenzialistischen und ökologischen Kräften zu entfalten, welche fähig wird, in gegenwärtige Lagen wirksam einzugreifen.
Marxismus, endlicher Marxismus, postmoderner Marxismus, Epistemologie
The essay works out the implications of the finite character of the objects of Marx’s epistemological breakthroughs in his critique of political economy as well as in his critique of politics, differentiates Marxist science from Marxist politics, and contrasts this ‚finite marxism‘ which works on this basis, in continuing to stabilize and to further elaborate these unfinished breakthroughs, to the conception of a ‚post-modern marxism‘, as it has recently been propagated. The essay further undertakes to articulate the role of a renewed marxist philosophy as a reflection of a marxist practice in the fields of scientific elaboration as well as in that of transformative politics. It argues that such a consciously finite marxism is at once helping to overcome problems of further elaborating marxist science and politics as such and making marxism capable to relate to other such specific fields, developing a new capability for mutual comprehension and alliance building with radical feminist, dependencialist and ecological forces in researching present realities, as well as in developing a transformative political practice capable of effectively relating to present conjunctures.
marxism, finite marxism, post-modern marxism, epistemology
Vorab
Ein kleiner, fast unbekannter Aufsatz des späteren Althusser (aus dem Jahre 1976) bildet hier den Ausgangspunkt meiner Überlegungen: Sein Text „Der Marxismus als endliche Theorie“ bietet eine spezifische Perspektive für ein erneutes Durchdenken der Problematik der „Grenzen der dialektischen Darstellung“2, wie sie schon Marx zu artikulieren begonnen hatte.3
Im Rückgriff auf diese Überlegungen Althussers möchte ich hier in Bezug auf die Umsetzung 4 von Marxens wissenschaftlichen Einsichten in die politische Praxis 5 den Versuch unternehmen, artikulierte Begriffe eines „endlichen Projekts“ und einer „endlichen Initiative“ zu entwickeln, welche überhaupt erst geeignete Ausgangspunkte dafür abgeben
2 Vgl. meinen früheren Versuch in dieser Richtung: Wolf 2004 u. 2006.
3 Lucio Collettis Betonung der Endlichkeit in Marx‘ Abwendung vom hegelschen Idealismus (Colletti 1973) bleibt noch eigenständig zu diskutieren.
4 Der Begriff der Umsetzung wird hier im vollen Bewusstsein der damit verbundenen komplexen Problematik verwendet, die in den Reformprozessen der 1960er Jahre zur Entstehung einer eigenständigen
„Umsetzungsforschung“ geführt hat (vgl. programmatisch Peter/Pöhler 2010, sowie – breiter kritisch einordnend – Beck/Bonß 1989).
5 Angesichts der in der marxistischen Tradition verbreiteten Illusionen über die „Einheit von Theorie und Praxis“ (vgl. etwa – trotz aller Reflektiertheit durchaus noch exemplarisch – Anderson 1976, sowie kritisch Adorno 1969) ist dies eine ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe.
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sollen, so etwas wie eine „marxistische Politik“ als solche wieder denken zu können. Damit möchte ich zugleich tragfähige Grundlagen für eine an Marx endlich adäquat anknüpfende philosophische Tätigkeit entwickeln helfen 6 , der es gelingt, den Grundgedanken einer „endlichen Pluralität“ zu einer attraktiven Alternative auszubauen, welche ein gemeinsames und abgestimmtes Handeln im Sinne der Befreiung aus der Perspektive ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Kämpfe konzeptionell durchdenken und damit zu ermöglichen hilft7 – und damit der sich bisher immer wieder durchsetzenden falschen Alternative ein Ende zu bereiten, die uns vor die Wahl stellt, entweder an einer einheitlichen 8 , geradezu monistisch (und damit tendenziell theologisch 9 ) begriffenen Unendlichkeit festzuhalten, oder aber in die schlechte Unendlichkeit des „anything goes“10 zu verfallen.
Althussers Andeutungen über den Marxismus als endliche Theorie (s.o.) haben mich aufmerksamer hinschauen lassen, was denn in Marxens gelegentlichen Andeutungen in Bezug auf den Marxismus eigentlich wirklich zum Ausdruck kommt. Ich denke, dies lässt
6 Damit gehe ich von der These aus, dass in der in den 1970er Jahren explizit gewordenen „Krise des Marxismus“ (vgl. Althusser 1978) deutlich erkennbar geworden ist, dass die bisherige, auf Plechanow einerseits und auf Lukács andererseits zurückgehende ‚marxistische Philosophie‘ angesichts der zu bewältigenden Aufgabe letztlich inadäquat geblieben ist.
7 Diese Rolle der Philosophie als „Hebamme“ (Sokrates), als „underlabourer“ (Locke) oder auch als einer Instanz, welche „der Fliege den Weg aus dem Fliegenglas zeigt“ (Wittgenstein) gilt nach meiner Auffassung auch und gerade für die marxistische Philosophie: Ihre Tätigkeit besteht daher keineswegs in der Ausarbeitung „allzu vollständiger Weltanschauungen“ (Brecht), sondern in dem triftigen kritischen Eingriff in ‚verfahrene‘ oder ‚blockierte‘ Diskurslagen – grundsätzlich sowohl in der wissenschaftlichen, als auch in der politischen Praxis. Auch wenn es die akademisch konstituierte Philosophie – der gegenüber bereits Spinoza sein grundsätzliches Misstrauen artikuliert hatte –, wenn sie denn überhaupt einmal radikal oder kritisch werden kann, zunächst einmal vorrangig mit Wissenschaftler*innen zu tun hat (deren ‚spontane Philosophie‘ sie bearbeiten kann und muss), sollte nicht übersehen werden, dass es nicht nur eine öffentliche Rezeption und Popularisierung dieser Philosophie(n) gibt, sondern immer auch schon eine der der Wissenschaftler*innen vergleichbare ‚spontane Philosophie‘ der Träger*innen politischer Praxis – und zwar von den ‚Berufspolitiker*innen‘ bis hin zu der sich politisierenden ‚Menge der Vielen‘ (multitudo). Diese zu bearbeiten, zu korrigieren und weiterzuentwickeln, stellt offensichtlich eine zentrale Aufgabe einer marxistischen Philosophie dar.
8 Im Unterschied zur differenziert mathematisch artikulierten Unendlichkeit, zu deren Problematik vgl. zugespitzt Schütte 1951 u. Lorenzen 1957, sowie rückblickend Taschner 1995, sowie Niebergall 2011.
9 Etwa in Hegels Deutung der christlichen Dreifaltigkeit als eine Operation des spekulativen Schließens oder
auch in Comtes „Dreistadiengesetz“ wird m. E. deutlich erkennbar, wie stark die Frage danach, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ (Goethe, Faust I), selber noch theologisch motiviert ist: Denn um reflektiert ein sinnvolles Leben zu leben oder um ganz bewusst Wissenschaft zu betreiben, wird eine Bezugnahme auf einen derartigen „letzten Grund“ nicht wirklich benötigt (vgl. übrigens Alfred Anderschs einschlägigen Roman „Sansibar oder der letzte Grund“) – auch nicht als ein „eigentliches Worumwillen“, wie es Heidegger im Anschluss an Aristoteles suggeriert hat (vgl. Heidegger 1927, 193; zum Verständnis vgl. Tugendhat 1967, 300).
10 Wie dies Paul Feyerabend (1975) durchaus sympathisch, aber doch letztlich aporetisch, vorgeführt hat, vgl. Preston 2006.
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sich in der Aufgabe fassen, klar auseinanderzulegen, wie wir das Konzept einer
„materialistischen Dialektik“ begreifen können – wie sie ja im traditionellen Marxismus von zentraler Bedeutung gewesen ist: Können (bzw. müssen) wir diese materialistische Fassung der (hegelschen) Dialektik11 als eine Art von theoretischem a priori betrachten, das allen weiteren, „wirklich marxistischen“ Forschungen zugrunde zu legen ist - oder werden wir dazu gezwungen sein, sie als ein aufgegebenes Projekt zu begreifen, also als eines, in Bezug auf das Marx sich genau in dem Maße gezwungen gesehen hat, es fallen zu lassen, wie er immer weitere Fortschritte dabei machte, die „modernen bürgerlichen Gesellschaften“ in ihrer inneren Struktur und in ihren maßgeblichen Dynamiken als solche zu begreifen.12
Ich möchte hier die Auffassung vertreten, dass die eben skizzierte Alternative als solche zurückzuweisen ist – dass sie zum einen auf einer falsch gestellten Frage beruht, auf die eine „widersprechende Antwort“13 gegeben werden muss, welche die Voraussetzungen eben dieser Frage angreift und überwindet. Und dass sich zum anderen eine Klärung gerade dieser „widersprechenden Antwort“ durch eine sorgfältige Rekonstruktion der epistemologischen Voraussetzungen von Marxens Argumentation im Kapital finden lässt.
Um eine weit ausgreifende und komplizierte Debatte zumindest etwas besser zu strukturieren, können wir an dieser Stelle bereits eine wichtige These formulieren: Die Kennzeichnung als „materialistische Dialektik“ bezieht sich auf Marxens „Methode der Darstellung“ im Kapital , welche immer im Ausgang von und auf der Grundlage der historischen „Gegebenheiten“ der untersuchten Verhältnisse operiert, sowie der Bedingungen und der Voraussetzungen unter denen sie sich entfalten, diese aber in Gestalt einer komplexen „Entwicklung des Begriffs“ erfasst 14 – ohne allerdings jemals der idealistischen Versuchung zu erliegen, einen totalisierenden „Abschluss“ des Reproduktionszyklus der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise konstruieren zu wollen15.
In dieser Richtung können wir einen dann in einem spezifischen Sinne durchaus radikal
11 Was dann zur Konsequenz hätte, dass alle wirklichen Marxist*innen Hegels Logik intensiv zu studieren (wie Lenin dies bekanntlich mit seiner Neigung zur übertreibenden Zuspitzung formuliert hat – so etwa LW38, 170) – und sie dann auch noch materialistisch zu kritisieren hätten – bevor sie sich auf die konkreten Untersuchungen einlassen dürften, auf welche sie in ihrer Praxis angewiesen sind.
12 Gleichsam empirisch lassen für diese These die Forschungen des späten Marx anführen, in denen
jedenfalls die Berufung auf eine Dialektik zur Erklärung irgendwelcher Entwicklungen gänzlich verschwunden zu sein scheint.
13 Diese Kategorie verdanke ich den Untersuchungen Michael Jägers (vgl. Jäger 1985).
14 Wie sie in der Arbeit von Stefano Breda am Beispiel der Kreditverhältnisse systematisch rückblickend entfaltet wird (Breda 2018).
15 Dieses in der Tat spezifisch „idealistische“ Missverständnis, welches die ‚Methode‘ als immer schon vorab
fertig gegeben unterstellt und deswegen auch nicht – wie Marx – zwischen der ‚Methode der Forschung‘ und der ‚Methode der Darstellung‘ zu unterscheiden vermag, bildet den Ausgangspunkt der von Bortkiewicz formulierten Marx-Kritik („Der Abschluss des Marxschen Systems“, vgl. Nutzinger/ Wolfstetter 1974).
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materialistischen Begriff von Dialektik als einer „Methode der Darstellung“ entfalten, welche allerdings als solcher gerade nicht dafür geeignet ist, zugleich auch als die methodische Grundlage der Verfahren und Praktiken der Forschungsarbeit Anwendung zu finden. Denn jede Forschungsarbeit ist immer von zwei Seiten, also doppelt, bestimmt: Einerseits von den wirklich existierenden Strukturen der untersuchten Gegenstände und Prozesse, auf die es sorgfältig zu achten bzw. die es geradezu ‚herauszufinden‘ gilt 16, andererseits aber auch von den auf Seiten der forschenden Subjekte gegebenen Voraussetzungen, d.h. von dem kontingent gegebenen Entwicklungsstand der jeweiligen Bereiche der wissenschaftlichen Arbeit, einschließlich der Begrifflichkeit und der Vorannahmen, welche bei den forschenden Subjekten – nicht einmal so sehr individuell, sondern als fungierende Forschungsgemeinschaft bzw. als wissenschaftliche Öffentlichkeit
– vorliegen bzw. vorherrschen.
Eine wirklich angemessene materialistische Auffassung der Dialektik wird den Unterschied zwischen Darstellung und Forschung daher insofern berücksichtigen müssen, als sie zwar davon ausgehen kann, dass in der Darstellung die real existierenden Dynamiken und Spannungsverhältnisse als solche, gleichsam in reiner Gestalt, zur Sprache kommen, sie im Forschungsprozess (und seiner entsprechenden Dokumentation) aber nur in durch komplexere Verhältnisse und ideologische Effekte vielfach modifizierten und geradezu gebrochenen Gestalten zum Thema werden können. Aber auch noch im Ergebnis der Marxschen Theorie der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise in modernen bürgerlichen Gesellschaften 17 lässt sich das Ergebnis der theoretischen Rekonstruktion nicht sinnvoll rein als solches darstellen, sondern seine Darstellung bleibt immer noch angewiesen auf eine ergänzende Beschreibung ihrer empirisch-historischen Voraussetzungen als unvermeidlich gegebene Tatsachen.18 Andererseits bleibt diese Arbeit der theoretischen Rekonstruktion darauf angewiesen, dass ergänzend spezifische Begriffe für eine Deliberation über Fragen von Strategie und Taktik eingeführt werden, wie etwa die Kategorien der Eröffnung einer Deliberation, der Argumentation mit Gründen und Gegengründen, des Beschlussfassens bzw. der Entscheidung, ihrer zunächst planenden und dann ‚ganz praktischen‘ Umsetzung, sowie der Überprüfung der von einer durchgeführten praktischen Aktion erreichten Ergebnisse.
Aus der Perspektive der wissenschaftlichen Untersuchung, welche immer noch weitergeführt werden kann (bzw. dies auch muss) stellen die Konzeptionen „konkreter Aktionen“ im Rahmen „endlicher Projekte“ bzw. auf der Grundlage „endlicher Initiativen“, wie sie für eine wirkliche Praxis konstitutiv sind, daher eine als solche nicht einholbare Alternative zur wissenschaftlichen Weiterarbeit dar, welche eigenständige Probleme der
16 Die hier verwendeten Metaphern der Achtsamkeit und der Findekunst lassen sich m.E. sinnfällig am Exempel des Geologen nachvollziehen, der mit seinem Hammer einen Steinbruch durchsucht, um signifikante Steine zu finden.
17 Diese aus dem ersten Satz des Kapital begründbare Bestimmung des Gegenstandes der Marxschen Untersuchung in seiner Kritik der politischen Ökonomie ist offensichtlich tragfähiger als die leider weit verbreitete Rede vom „Kapitalismus“ (vgl. Wolf 2009c).
18 Von der Tatsache der Geldware über die der auf dem Markt angebotenen ‚Ware Arbeitskraft‘ oder des
‚Normalarbeitstags‘ bis hin zu dem faktisch geltenden Zinssatz (vgl. Wolf 2004 u. 2006).
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Vorgehensweise aufwirft.19
In einer derartigen, immer auch auf die Anerkennung20 und adäquate Verarbeitung21 derartiger Kontingenzen hin konzipierten „materialistischen Dialektik“ müssen daher alle Versuche zurückgewiesen werden, universelle bzw. universalisierte „transzendentale Voraussetzungen“ als solche auszuweisen 22 oder stattdessen eine Perspektive der allumfassenden Totalität 23 oder auch einer „allem“ zugrundeliegenden Ontologie 24 aufzubauen. Vielmehr muss es in der methodologischen Perspektive einer materialistischen Dialektik darum gehen, die unterschiedlichen Gegenstände, Einsätze und Dynamiken etwa von Kämpfen um Lohn-, Gender-, Dependenz- oder auch Umweltfragen25 als konkrete und spezifische Auseinandersetzungen innerhalb laufender, immer schon überdeterminierter und komplexer Reproduktionsprozesse bestehender Herrschaftsverhältnisse26 – oder auch als entsprechend bestimmte Auseinandersetzungen um die Durchsetzung, Einleitung bzw. die Durch- und Weiterführung von strukturellen Transformationsprozessen zu deren Überwindung – als solche zu begreifen und sie damit in ihrer komplexen Dynamik nachvollziehbar zu machen.
Eine darauf abzielende theoretische Arbeit kann zwar die kritische Selbstverständigung von sozialen Bewegungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, politischen Organisationen (und speziell auch von politischen Parteien) nicht als solche ersetzen, kann sie aber doch dabei unterstützen, sich über ideologische Beschränkungen klar zu werden und diese so weit zu überwinden, dass eine herrschaftskritische Zuspitzung der eigenen Kämpfe und eine Solidarisierung mit anderen emanzipatorischen Kämpfen leichter möglich wird.
19 In dieser Hinsicht wird auch die marxistische Debatte von einer kritischen Aufarbeitung der
„Umsetzungsforschung“ (vgl. o., Anm. 3) einiges Wichtige zu lernen haben.
20 Durchaus immer wieder auch im Sinne einer Bezugnahme auf die Geltung bestimmter normativer Gesichtspunkte und Forderungen, vgl., soweit durchaus triftig, die von Alexandre Kojève ausgelöste Debatte über die Aktualität der Hegelschen ‚Dialektik‘ der Anerkennung, vgl. die systematische Aufarbeitung durch Axel Honneth (Honneth 1992).
21 Für die immer noch die Marxsche Reflektion über die ‚Grenzen der dialektischen Darstellung‘ und sein darstellungspraktischer Umgang mit ihnen im Kapital den wichtigsten Bezugspunkt bilden (vgl. Wolf 2004 u. 2006).
22 Also nicht etwa auf ‚transzendentale Voraussetzungen‘ im Sinne des Aufweises von ‚Bedingungen der Möglichkeit‘ gänzlich zu verzichten – vgl. dazu Balibar (2018) im Hinblick auf Hobbes, Spinoza und Marx –
, sondern deren Hypostasierung zu unterlassen, wie sie etwa – wenn auch im unterschiedlichen Grade – immer noch von Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas betrieben wird. (vgl. a. u., 4.)
23 Wie dies der junge, noch an Simmel und Lask anknüpfende Georg Lukács unternommen hatte.
24 Auf die dann der alte Lukács verfallen ist; vgl. aber auch etwa Hans Heinz Holz (1991).
25 Deren relative Eigenständigkeit, aber auch Interdependenz (zumeist unter Auslassung der Klassenverhältnisse) den Gegenstand der jüngeren Debatten über ‚Intersektionalität‘ bilden (vgl. Anm. 25).
26 Wie deren Thematisierung Louis Althusser (2012) in die marxistische Debatte eingeführt hat. Allerdings geht es dabei heute nicht mehr nur um das Verhältnis der kapitalistischen zu vorkapitalistischen Produktionsweisen, wie dies in der von Althusser ausgelösten französischen und internationalen Debatte (eröffnet von Rey 1973) sondern vor allem um die je singulär kombinierte Überdetermination konkreter
‚moderner bürgerlichen Gesellschaften‘ durch die real unterschiedlichen und nicht in eine übergreifende wissenschaftliche Theorie integrierbaren Geschlechterverhältnisse und die internationalen Verhältnisse, sowie durch ökologische Konstellationen (vgl. Wolf 2004 u. 2006).
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Die hiermit angedeutete allgemeine Bestimmung einer radikal materialistischen Auffassung von Dialektik kann uns als Theoretiker*innen größere Klarheit verschaffen – und mehr inhaltliche Gewissheit (und damit durchaus auch einen bestimmteren Mut): Auf der einen Seite verhilft sie uns dazu, den widersprüchlichen, letztlich sogar antagonistischen Charakter aller dieser Institutionalisierungs-, Organisations- und Bewegungsformen zu begreifen, aufgrund dessen sie sich letztlich unausweichlich immer als Räume von Auseinandersetzungen und Kämpfen konstituieren und reproduzieren, in welchen bestehende Herrschaftsformen und -prozesse auf Widerstand stoßen; auf der anderen Seite ist ihnen die grundlegende – nur in erfolgreichen revolutionären Umwälzungen (jedenfalls für längere Zeit) überwundene – Tendenz zu eigen, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse – und das heißt eben die Herrschaft der konkret herrschenden Klassen und Kräfte – grundsätzlich als solche zu reproduzieren, wenn auch vielleicht in veränderten Ausgestaltungen der Strukturen und Prozesse ihrer Ausübung und Reproduktion.
Der endliche Marxismus 27 , wie wir ihn vertreten, betont die allen wirklichen Auseinandersetzungen zugrundeliegende strukturelle Dynamik bzw. Materialität und die dadurch bestimmten spezifischen „Entwicklungsgesetze“ aller derartigen, wirklichen gesellschaftlichen Kämpfe um Herrschaft und Befreiung. Dadurch setzt er sich kritisch ab von jeglicher Art von Empirismus und Positivismus, welche die wissenschaftliche Untersuchung auf die Konstatierung und Beschreibung empirisch vorfindlicher Tatbestände reduzieren, und arbeitet daran, auch strukturelle Kausalitäten, Entwicklungstendenzen und Möglichkeitshorizonte greifbar zu machen durch die dann einerseits im Rückblick auch komplexe historische Entwicklungen als solche erklärt und andererseits in der Antizipation möglicher Zukünfte realitätstüchtige Handlungsperspektiven artikuliert und als solche diskutiert werden können.
Damit macht es dieser endliche Marxismus durchaus möglich, dem politischen Handeln klare Orientierungen zu geben. Er verfällt dabei aber nicht in den, wie die historische Erfahrung auch marxistischer Politik mehrfach gelehrt hat, offenbar durchaus naheliegenden, letztlich idealistischen Fehler, die reale Komplexität der wirklichen Prozesse, in welchen „Geschichte gemacht“ wird 28 , auf ihre verallgemeinerbaren
27 Welcher den des bereits angeführten Impulses des späten Althusser (s.o.) aufgreift und weiterführt.- In Bezug auf die Rede vom „Marxismus“ ist hier vielleicht eine Anmerkung zur Terminologie erforderlich: Im Deutschen scheint mir „marxianisch“ das Gleiche zu bedeuten wie „marxsch“, also bezogen auf Karl Marx‘ eigene Tätigkeiten, Produkte und Spuren. Es ist daher m.E. nicht möglich, „marxianisch“ für Positionen zu verwenden, die von Marx ausgehen und an ihn anknüpfen, aber sich dabei vom sog. „orthodoxen Marxismus“ unterscheiden (ich halte es übrigens für signifikant, dass dieser Bezeichnung eben eine theologische Kategorie zugrunde liegt). Deswegen bezeichne ich alle Positionen als „marxistisch“, welche den Anspruch erheben, Marx‘ Thesen und Ergebnisse in Wissenschaft und Politik (aber auch in der Philosophie) als solche fortzuführen – und vertrete die Auffassung, dass der sog. „orthodoxe Marxismus“ (vor allem der III. Internationale und ihrer Nachfolger) ausweisbar in diesem Sinne in seinem wirklichen Vorgehen nicht weniger ‚unmarxistisch‘ ist als die hilflosen Versuche, ihm einen „undogmatischen Marxismus“ auf der Grundlage der aufgegebenen Entwürfe des jungen Marx entgegen zu stellen.
28 In denen sich also immer wieder aufs Neue komplexe Überdeterminationen auf kontingente Arten und Weisen verbinden.
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strukturellen Bestimmungen als eine „eigentliche Wirklichkeit“ reduzieren zu wollen. Demgemäß kann der endliche Marxismus streng genommen auch nicht auf eine
„allgemeine Gesellschaftstheorie“ zurückgreifen, welche die Mühe ersparen könnte, historisch gegebene Gesellschaftsformationen spezifisch zu untersuchen – selbst die von Marx in ihren Grundzügen ausgearbeitete und von weiteren marxistischen Forschungen weiter ausgebaute allgemeine Theorie der kapitalistischen Produktionsweise, auf die er immerhin heute bereits zurückgreifen kann, ist als solche immer auch schon historisch bestimmt: Für frühere Produktionsweisen gibt sie allenfalls einen „methodischen Leitfaden“ an die Hand, der die spezifische Untersuchung des Gegenstandes und seiner Dynamik nicht ersetzen, sondern nur erleichtern bzw. fördern kann. Und dann bleibt immer noch die Aufgabe zu lösen, eine wirkliche Untersuchung und gleichsam Entschlüsselung der in der gegenwärtigen Praxis wirksamen bzw. in der Arbeit der historischen Rekonstruktion der jeweils ‚behandelten‘ (also untersuchten oder auch praktisch-politisch ‚bearbeiteten‘) singulären modernen Gesellschaftsformationen zu leisten. Um einige Ecken gedacht, bedeutet das doch, dass auch die rein theoretische Arbeit sich letztlich dadurch ‚beweisen‘ muss, dass sie einer kritischen und transformativen Praxis die benötigten Einsichten in reale Strukturen und Tendenzen vermittelten (einschließlich der auf deren Grundlagen bestehenden Möglichkeiten zu Widerstand und effektivem transformativen Handeln).
Deswegen kann es für den endlichen Marxismus auch keinen Weg der Erkenntnisgewinnung geben, auf dem sich die Mühe ersparen ließe, die empirisch erst einmal zu ermittelnden Tatbestände 29 überhaupt als solche zu erfassen (und sie etwa adäquat zu beschreiben und auch zu zählen), um sie dann in ihrem „inneren Zusammenhang“ (Marx) begreifen zu können. Diese Tatbestände als solche aufzugreifen, schließt dabei immer auch die Aufgabe mit ein, sie auf diejenigen theoretisch bestimmbaren Strukturen und Tendenzen zurückzuführen, auf deren Grundlage sich die Situationen und die Trends erklären lassen, wie sie jeweils durch empirische Forschung oder durch praktische Erfahrung erfasst worden sind.
Um einige naheliegende Missverständnisse zu vermeiden, denen der von uns vertretene Ansatz des „endlichen Marxismus“ offenbar ausgesetzt ist, werden wir uns im Folgenden zunächst einmal kritisch von dem Projekt des „postmodernen Marxismus“ abgrenzen. Zu diesem Zweck resümieren und diskutieren wir in aller Kürze einige Kernfragen der
29 Die Bezugnahme auf eine „empirische Entwicklung‘ soll weder dem Empirismus das Wort reden, noch für eine Beschränkung marxistischer Untersuchungen auf den ‚Instrumentenkasten‘ soziologischer Erhebungen plädieren: Formen der „Arbeiteruntersuchung“ (oder vergleichbare Formen einer Untersuchung aus gesellschaftlichen Kämpfen heraus) sind sicherlich oft für realitätstüchtige Untersuchungen näher liegend – und sogar verlässlicher.
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Epistemologie bzw. der Methodologie, wie sie in den programmatischen Publikationen der Vertreter dieses Projektes artikuliert worden sind. (Callari/Ruccio 1996, Resnick/Wolff 2006). In den folgenden Thesen werden derartige Kernpositionen dieses post-modernen Materialismus als solche zusammengefasst und dann knapp kritisch diskutiert. Schließlich versuche ich dann noch, die Differenz des von mir vertretenen endlichen Marxismus zu den Positionen des postmodernen Marxismus zusammenfassend zu bestimmen.
Der Begriff des ‚Widerspruchs‘ wird in dem Sinne verwendet, dass dadurch die Vielfalt (diversity) und Unterschiedlichkeit (difference), sowie die Konflikte bezeichnet werden, welche die Konstitution aller real gegebenen Seiten der gesellschaftliche Totalität als solche kennzeichnen.
Dies gilt in gewissem Grade durchaus auch für das Projekt des endlichen Marxismus. Allerdings greift dieser die totalisierende und sogar in gewisser Weise „ontologische“30 Herangehensweise des „postmodernen Marxismus“ nicht auf, welche dieser zu der Annahme zuspitzt, dass diese „conflicts … characterize the constitution of each aspect of the social totality“. Dafür hat der endliche Marxismus zwei unterschiedliche Gründe: Zum einen hält er es für erforderlich, den Begriff der gesellschaftlichen Totalität als solchen zu problematisieren. Denn es ist zwar selbstverständlich sinnvoll, über eine konkret gegebene Gesellschaftsformation „als Ganze“ zu sprechen, aber dies rechtfertigt es keineswegs, auf sie den unrettbar hegelianischen Begriff der Totalität anzuwenden – denn sie können durchaus „grotesk zusammengesetzt“ (nicht weniger als Gramsci das für menschliche Individuen betont hat) sein – und daher in sich, in allen ihren Teilelementen und - prozessen, heterogen und unversöhnlich bleiben.
Der Begriff der ‚Überdetermination‘ wird in dem Sinne verwendet, dass dadurch die komplexe Konstitution jeder Seite bzw. jeden Prozesses durch alle anderen bezeichnet wird.
Auch diese Auffassung des Konzeptes der Überdetermination wird vom endlichen Marxismus als übermäßig totalisierend kritisiert. Es bedarf praktischer Erfahrung und auch wissenschaftlicher Untersuchung, damit unterschieden werden kann zwischen denjenigen Seiten und Prozessen der gesellschaftlichen Wirklichkeit, welche gleichsam in Prozessen der Wechselwirkung konstituiert werden – wenn auch womöglich mit sehr unterschiedlichem Grad der effektiven Einwirkung aufeinander 31 und den davon unterscheidbaren Seiten und Prozessen, welche in diesem Sinne nicht vollständig überdeterminiert sind, eben weil sie als Elemente der äußeren Bedingungen und
30 Also auf eine behauptete Grundstruktur der Wirklichkeit bezogene und nicht bloß die menschliche Praxis als solche „praxeologisch“ artikulierende Theoretisierung.
31 Eines der in den vergangenen Jahrzehnten – vor allem in der Auseinandersetzung zwischen marxistischen
und feministischen Autor*innen – besonders intensiv diskutiertes Beispiel hierfür bietet die wechselseitige Überdetermination von sexueller Reproduktion und Genderverhältnissen einerseits und Klassenverhältnissen und materiellen Produktionsprozessen andererseits.
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Voraussetzungen dieser jeweils historisch besonderen Konstellation von Seiten und Prozessen in ihrer relativen Eigenständigkeit zu begreifen sind.
Das Denken bzw. die Theoriebildung werden als ein Teil der gesellschaftlichen Totalität als ein größeres Ganzes verstanden.
Dies gilt, so formuliert, selbstverständlich erst einmal in vollem Umfang auch für den endlichen Marxismus – allerdings mit einigen, gleichsam vorsorglichen Einschränkungen: Erstens gilt, wie eben bereits angemerkt, dem endlichen Marxismus das (immer nur relative) Ganze einer gegebenen „Gesellschaftsformation“ deswegen keineswegs als „Totalität“ im Sinne der hegelschen Dialektik und zweitens gilt eben auch, dass das wissenschaftliche Denken, genauer die wissenschaftliche Theoriebildung, selbst als ein sehr spezifischer Teil des jeweils gegeben Ganzen zu begreifen ist, der sich eben vor allem von den Ideologien dadurch unterscheidet, dass er einen „epistemologischen Durchbruch“ (Althusser) voraussetzt und weiterverfolgt, sowie eben dadurch, dass es eben die der wissenschaftlichen Forschung erreichbare Art von durchaus überprüften und verlässlichen, aber eben doch nur relativen Wahrheiten hervorbringt.
Jede überdeterminierte Theorie hat ihre eigenen Konzeptionen von Beweisführung und damit von Wahrheit – mit der Konsequenz, alle Ansprüche auf eine
„absolute Wahrheit“ zurückzuweisen.
Allerdings gilt für den endlichen Marxismus, dass der Begriff der
‚Überdetermination‘ nicht primär für Theorien verwendet wird, sondern vielmehr für reale Strukturen und Dynamiken, wie sie von Theorien artikuliert oder auch „erfasst“ werden. Deswegen sind die Begriffe des Beweises oder auch der Wahrheit – soweit sie tatsächlich innerhalb gegebener theoretischer Felder eine spezifische Verwendung finden, um sich auf die entsprechenden Felder der Wirklichkeit zu beziehen – nicht allein innerhalb der oder durch die entsprechenden Theorien bestimmt bzw. bestimmbar: Sie beziehen sich immer auch zurück auf eine ganze Schicht allgemeinerer Vorstellungen über die spezifische, konstitutive Differenz von wissenschaftlicher Forschung, sowie von wissenschaftlichen Ergebnissen gegenüber bloß ideologischen Überzeugungen. Eine Ablehnung von
„absoluten“ Wahrheiten muss daher keineswegs mit Notwendigkeit zu der in dieser These zum Ausdruck gebrachten Hyper-Relativismus führen: Die Wahrheit etwa der modernen Physik – von Newton bis zu Einstein – muss keineswegs dadurch ‚relativiert‘ werden (vgl.
a. These 8) – und genau so wenig die Wahrheit der von Marx ausgearbeiteten Kritik der politischen Ökonomie.
Im Denkprozess konstituierte Widersprüche treten als gegensätzliche Theorien auf, sowie als Inkonsistenzen innerhalb von Theorien.
Hier stehen wir in der Tat vor einem Kernproblem der philosophischen Reflektion auf wissenschaftliche Erkenntnisprozesse – und zwar vor einem wirklich schwierigen Problem. Ich bin jedoch, zum einen, davon überzeugt, dass das Problem einer Grundlage der Erkenntnis in der Wirklichkeit (in der Scholastik als die Frage nach dem fundamentum
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in re artikuliert), nicht dadurch umgangen werden kann, dass nur noch Theorien als solche in Betracht gezogen werden: Selbst bei einer derartigen Herangehensweise stellt sich unvermeidlich die Frage nach ihrem Wirklichkeitsbezug – spätestens in dem Moment, in dem es um ihre praktische Anwendung geht. Und zweitens neige ich zumindest zu der Annahme, dass die Arten und Weisen, in welchen sich Widersprüche (in dem hier unterstellten Sinne) innerhalb von Theorien geltend machen, erheblich vielfältiger sind, als hier formuliert – etwa auch in Gestalt von Denkblockaden, von „Erfahrungen“ die einfach niemals gemacht oder von „Evidenzen“, die niemals hinterfragt werden. Für den endlichen Marxismus geht es daher, genau genommen, nicht primär um in Denkprozessen konstituierte Widersprüche, sondern durchaus vor allem um im Denkprozess als solche artikulierte Widersprüche in realen Verhältnissen und Prozessen.
Aufgrund der zentralen Bedeutung der Überdetermination in der gesellschaftlich-historischen Wirklichkeit ist jegliche Vorstellung völlig ausgeschlossen, dass irgendeine Seite der Gesellschaft, wie etwa das Ökonomische, letztlich bestimmend für alle deren andere Seiten sein kann.
Dies gilt ganz unbestreitbar ebenso für den endlichen Marxismus. Allerdings gibt es in dieser Hinsicht – auch wenn die „einsame Stunde der letzten Instanz“ niemals schlagen wird (Althusser) – doch eine Reihe von bedeutsamen Unterscheidungen, welche hier zu treffen sind: etwa die zwischen dem materiellen Reproduktionsprozess einer gegebenen historischen Gesellschaftsformation und der Art und Weise, wie dieser innerhalb der herrschenden Ideologien als solcher reflektiert und gerechtfertigt wird. Dieser Umstand ist von Friedrich Engels in der Metapher der Gewichtsunterschiede zum Ausdruck gebracht worden, wie sie zwischen den verschiedenen ‚Faktoren‘ der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestehen: Keiner dieser ‚Faktoren‘ bleibt ohne Auswirkungen auf das wirklich eintretende Ergebnis, aber der Einwirkungsgrad einiger Faktoren ist höher und sie setzen sich insgesamt auch öfter durch als andere – und in dieser Hinsicht sind ökonomische Faktoren eben doch immer von beträchtlichem Gewicht32 – und sie machen sich dementsprechend auch stärker bei der Bestimmung der Ergebnisse derartiger
„Begegnungen“ geltend. In demselben Sinne ist es zu betonen, dass diese unterschiedlichen „gesellschaftlichen Seiten“ derartiger historischer Prozesse (oder auch derartiger Handlungsperspektiven) keineswegs einander gegenüber vollständig autonom sind: Während zwar eine jede von ihnen als solche auf ihrem je-eigenen Feld nach ihren eigenen, für sie konstitutiven Regeln verfahren kann, sind ihre „Lebensprozesse“ jeweils alle parallel auch durch einander „überdeterminiert“ und zwar eben durch diejenigen Prozesse, welche faktisch auf sie einwirken, – und dies müssen auch dann nicht schon
„alle“ sein – soweit und wenn die zentralen Instanzen für ihre konkrete Vermittlung sich bereits als solche herausgebildet haben.
Die marxistische Theorie entfaltet ihre spezifischen Begriffe der
32 Auch wenn Bill Clinton’s „It’s the economy, stupid!“ gewiss eine, wenn auch gekonnte, Übertreibung ist.
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Überdetermination, des Widerspruchs und der Klasse als ihre und charakteristische Grundlage, um die gesellschaftliche Totalität als solche begreifen zu können und dann ihre besondere Auffassung dieser konkreten Totalität aufzubauen.
Die hier vom „postmodernen Marxismus“ genannten „spezifischen Begriffe“ sind der Althusserschen Rekonstruktion der marxschen Philosophie entnommen. Das stellt selbstverständlich noch keinen Einwand dar – allein schon deswegen, weil Marx selber uns keine ausformulierte Version seiner Philosophie hinterlassen hat33, welche seine eigenen wissenschaftlichen Durchbrüche als solche artikuliert hätte – d.h. sein unvollendet gebliebenes Projekt der Kritik der politischen Ökonomie (vgl. Rojas 1988) und sein in noch viel höherem Grade unvollendetes, nämlich allenfalls thesenhaft begonnenes Projekt einer Kritik der Politik (wie es plausibel von Balibar u.a. 1979 rekonstruiert worden ist). Es ist aber auch eben deswegen zu thematisieren, weil der von mir vertretene ‚endliche Marxismus‘ seine Grundorientierungen ebenfalls zum größten Teil aus denselben Quellen der althusserianischen Erneuerung des Marxismus bezieht. Hier sollte deswegen nur noch darauf verwiesen werden, dass diese spezielle Herangehensweise innerhalb der Entwicklung des Marxismus durchaus auf wichtige Konkurrenten stößt, welche nicht vergessen oder übersehen werden sollten: Hierher gehören etwa die frühen kritischen Linien innerhalb des sowjetischen Marxismus (wie etwa Bucharin, Deborin, Rjazanov, Rubinstein und Paschukanis)34, die ‚kritische Theorie‘ von Horkheimer, Adorno und der Frankfurter Schule35 , oder auch die italienischen Strömungen des Marxismus seit den 1960er Jahren, welche sich auf Antonio Gramsci36 zurückbezogen haben.37
Das Hauptproblem, welches in dieser Formulierung angelegt ist, liegt in unseren Augen aber in der mangelnden Klarheit in Bezug auf die Begriffe der „gesellschaftlichen Totalität“ und der „konkreten Totalität“. Selbst die kapitalistische Produktionsweise in der reinen Form ihres „idealen Durchschnitts“ bildet sicherlich keine „in sich geschlossene Totalität“ und die konkreten Gesellschaftsformationen, in welchen sie herrscht, lassen sich keineswegs als relativ geschlossene „konkrete Totalitäten“ begreifen – wenn wir nämlich ernst nehmen, dass sie „überdeterminiert“ und demgemäß niemals vollständig als solche ausgebildet sind. Und sicherlich sollten wir hier auch klarstellen, dass Marx‘ theoretische Rekonstruktion der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise in den modernen bürgerlichen Gesellschaften mehr tut, als bloß ihren zunächst verdeckten Sinn zu enthüllen: Sie bestimmt und erklärt ihre (durchaus widersprüchlichen) „allgemeinen Tendenzen“ und
33 Auch etwa die sog., übrigens doch sehr skizzenhafte, « Deutsche Ideologie » war ein philologisches Konstrukt von David Rjazanow, dessen Manuskriptgrundlage Marx (und auch Engels) schlicht der
„nagenden Kritik der Mäuse“ überlassen hatten (vgl. die kritische Neuausgabe der Materialien zur Deutschen Ideologie (MEGA² II/3), sowie den ‚Leseband‘ Karl Marx/Friedrich Engels 2018).
34 Vgl. Negt (1974), sowie den die exemplarische Darstellung Bucharins durch Hedeler (2015).
35 Für die inzwischen gründliche historische Aufarbeitungen vorliegen, wie etwa Wiggershaus 1995 u. Demirović 1999; als Einführung in die darüber geführte internationale Debatte vgl. Bottomore (2002).
36 Vgl. die programmatische Zusammenfassung der seit den 1970er Jahren geführten Debatte bei Buckel / Fischer-Lescano 2007.
37 Diese anderen Stränge der marxistischen Entwicklung sind als solche keineswegs bereits durch Althussers wichtige philosophische Initiativen in den späten 1950er und in den 1960er Jahren als solche kritisch bearbeitet oder gar „aufgehoben“ – sie sind vielmehr immer noch eigenständig aufzuarbeiten.
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begreift die ihnen zugrunde liegenden Strukturen, indem sie einen begrifflichen Rahmen zu ihrer theoretischen Erfassung aufbaut, dabei zugleich aber auch die spezifischen Beschränkungen dieser theoretischen Rekonstruction als solche überhaupt erst erkennen lässt.
Die marxianische38 Theorie hat es nicht nötig, den Anspruch zu erheben, das Wesen oder die Wahrheit der gesellschaftlichen Totalität der Wirklichkeit zu erfassen – und könnte dies auch nicht begründen.
Auch diese These wird – jedenfalls in einem genauer zu bestimmenden Sinne – vom endlichen Marxismus vollständig geteilt: Weder die Wissenschaft noch die Politik – und erst Recht nicht die Philosophie – können „absolute Wahrheiten“ produzieren. Daher muss die traditionelle Praxis eines Essentialismus, welcher in dieser Richtung agiert (wie er auch innerhalb der marxistischen Traditionslinien weit verbreitet gewesen ist) ganz gewiss als solche überwunden werden. Daraus folgt aber noch keineswegs, dass wir deswegen in diesen Bereichen gleichsam auf die Kategorie der Wahrheit verzichten müssten. Die Praktizierung von Wissenschaft und von Politik (erst recht nicht die der Philosophie) kann letztlich nicht auf diese Kategorie verzichten – zumindest so lange nicht, wie sie unter Herrschaftsverhältnissen stattfinden, denen gegenüber immer eine Befreiung als Wahrheit einzufordern bleibt. Es bleibt vielmehr, ganz im Gegenteil, unverzichtbar erforderlich, die Prozesse einer Verifizierung bzw. Falsifizierung innerhalb der Praktizierung von Wissenschaft geradezu bewusst als solche zu kultivieren, aber ebenso auch die
„Wahrheitspolitiken“ wie sie die Philosophie kennzeichnen (cf. Wolf 2002, 128ff.), und die innerhalb der Politik erhobenen Wahrheitsansprüche – wie etwa den Anspruch, ein
„wahrhaftes Leben“ überhaupt erst möglich zu machen. Sie müssen als solche kultiviert und entfaltet werden, anstatt sie einfach fallen zu lassen und aufzugeben. Und wie schon angedeutet ist eine Kategorie wie „die gesellschaftliche Totalität der Wirklichkeit“ [„the social totality of reality“] eher als unterbestimmt, unklar und sogar als eher missweisend zu begreifen.
Damit muss sich die Konzeption des endlichen Marxismus letztlich doch ganz klar von der Programmatik eines „postmodernen Marxismus“ verabschieden: Insbesondere die falsche Universalisierung der vertretenen Positionen, die Reduktion auf sprachliche Tatbestände und der zugleich vertretene geradezu verabsolutierte Relativismus lassen den
„postmodernen Marxismus“ grundsätzlich und insgesamt als eine der Erneuerung und Weiterentwicklung des Marxismus im Wege stehende Position erscheinen.
38 Zur Terminologie vgl. o., Anm. 26.
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An dieser Stelle bietet es sich m.E. an, ein von Louis Althusser aufgeworfenes Problem neu zu diskutieren: Gegen die immer wieder auftretende „Interpretation des Kapital als
‚theoretisches Modell‘“ (Althusser 2015, 326) wendet er ein, dass diese „wirklich nur in der im eigentlichen Sinne ideologischen ersten Vorbedingung möglich, in die Theorie selbst noch den Abstand mit einzuschließen, der sie von dem empirischen Konkreten trennt, sowie unter der zweiten, gleichermaßen ideologischen Bedingung, diesen Abstand als einen selbst noch empirischen Abstand zu denken“ (ebd.). Hier wird m.E. deutlich, wie sehr nicht nur Hegel, sondern auch Marx in ihrem Denken, Kants tranzendentale Wendung zur Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit des Faktums der Existenz wirklich wissenschaftlicher Erkenntnis39, moralischer Einsicht oder ästhetischen Urteilen in einer Form weitergeführt haben, welche diese Bedingungen selber als durch menschliche Praxis (und daher historisch) konstituiert begreifen kann. In diesem Sinne lassen sich innerhalb der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie durchaus so etwas wie konkrete
„Bedingungen der Möglichkeit“ für weitere Erkenntnisse in den erzielten Forschungsergebnissen ausmachen – im Sinne einer immer wieder neu zu durchlaufenden
„Dialektik von Voraussetzung und Resultat“40: Die erreichte theoretische Ausarbeitung des Begriffs der kapitalistische Produktionsweise wird derart immer wieder zum Ausgangspunkt methodisch gezielter und begrifflich zugespitzter weiterer Forschungen. Das schließt durchaus ein, dass die jeweils bisher erreichten theoretischen Ergebnisse – von Marx unter dem Stichwort des „Umschlags von Theorie in Methode“ angesprochen – immer wieder zu Ausgangspunkt spezifischer weiterer Forschungen werden.
Die beiden zentralen positiven Positionen des endlichen Marxismus lassen sich als Spezifizierungs- und vor allem als Verknüpfungsgebote interpretieren:
Im Hinblick auf die Entfaltung einer marxistischen Wissenschaft in ihrer doppelten Gestalt als Kritik der politischen Ökonomie und als Kritik der Politik geht es darum zum einen das Feld der ‚Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise‘ in ihrem ‚idealen Durchschnitt‘ zu untersuchen und ihre prägende Präsenz in konkreten Lagen und Prozessen als solche in ihrer Spezifik ‚herauszuarbeiten‘ – zugleich aber auch, zum anderen, um die sorgfältige Untersuchung der konkreten ‚Überdeterminationen‘ durch andere moderne (und ggf. auch durch vormoderne) Herrschaftsverhältnisse. Erst dadurch kann dann wirklich – genau genommen immer schon ‚deliberativ‘ – die „konkrete Analyse der konkreten Situation“ geleistet werden, von der Lenin ja mit gutem Recht behauptet hatte, dass sie die „lebendige Seele“ des Marxismus sei. Jedenfalls stellt sie immer wieder
39 Ich gehe hier von der Auffassung aus, dass Kants zentrale These von „Faktum der Vernunft“ nicht nur für seine Kritik der praktischen Vernunft von Bedeutung ist, sondern von konstitutiver Bedeutung auch für Kants Kritik der ‚spekulativen‘ und der ‚ästhetisch urteilenden‘ Vernunft. Insgesamt hat Kant damit m.E. die von Descartes bis Hume diskutierten Versuche einer „Letzbegründung“ der Wissenschaften in der Philosophie als solche überwunden und es der Philosophie ermöglicht, die Geltungsvoraussetzungen der wissenschaftlichen Lehren oder der politischen bzw. ästhetischen Doktrinen zu untersuchen – was Hegel dann dialektisch ausgeweitet und Marx materialistisch spezifiziert hat. Beide haben es daher auch ganz bewusst vermieden, zu den aus dieser Perspektive ‚naiven‘ Debatten über Rationalismus vs. Empirismus bzw. über Dogmatismis vs. Skeptizismus zurückzukehren.
40 Vgl. etwa den knappen Hinweis bei Buckmiller.
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die ‚Brücke‘ dar, über die die wissenschaftlich untersuchte Wirklichkeit in tragfähige politische Orientierungen übersetzt werden kann, welche dann in weitere politische Deliberationen (vor allem in strategische Debatten) eingehen.
Im Hinblick auf die Entfaltung einer marxistischen Politik im Sinne einer transformatorischen (traditionell ‚revolutionären‘) Praxis geht es dagegen immer wieder darum, in einer bestimmten historischen Lage den effektiv möglichen ‚nächsten Schritt‘ einer bzw. in Richtung einer radikalen Transformation zu propagieren und durchzusetzen, sowie dann vor allem auch bestandsfähig und wirksam ‚umzusetzen‘. 41 Und dieser
‚nächste Schritt‘ ist immer derart ‚überdeterminiert‘, dass er sich weder aus den verfügbaren wissenschaftlichen Analysen der jeweils gegebenen Lage noch auch aus einer selber bereits deliberativ zuspitzenden „Lageanalyse“ einfach ‚gewinnen‘ oder gar ableiten ließe – man könnte mit nur geringer Übertreibung die These vertreten, dass er faktisch und praktisch ‚kontingent‘ sei. Auch wenn der ‚richtige‘, triftige und wirksame ‚erste Schritt‘ sich dann geradezu mit Bedeutung auflädt, weil er sich nämlich in seiner Wirkung dadurch ausweist, dass er eine grundlegende Transformation der definierenden Gegebenheiten der gesamten Lage in Gang bringt.
Marxistische Politik bedarf daher immer auch der Entschlossenheit zu einer bestimmten Lagediagnose und zu darauf antwortenden praktischen Initiativen, welche ihnen marxistische Wissenschaft niemals als ein ‚Fertigprodukt‘ wird liefern können. Diese Lücke, die immer wieder durch den Mut zur Entscheidung42 gefüllt werden muss, ist nicht durch Formeln wie die von der „Einheit von Theorie und Praxis‘ zu verdecken, sondern als solche zu artikulieren. Eben hierin besteht immer wieder die spezifische (und eigenständige) Aufgabe marxistischer Philosophie.
Adorno, T. W. (1969), „Marginalien zu Theorie und Praxis“, in Die Zeit, Nr. 33 < https://www.zeit.de/1969/33/marginalien-zu-theorie-und-praxis> (wieder in Ders. (1997), Gesammelte Schriften 10.2., Frankfurt am Main).
41
Diese immer wieder entscheidende Ausrichtung jeder praktischen Deliberation hat Mao Zedong durch
eine Anspielung auf den Dàodéjīng zum Ausdruck gebracht, wo sich eine Formulierung findet, deren gängige Übersetzung lautet: „Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ (Daodejing, 64, Übersetzung von Günther Debon). Mao hat das aufgegriffen in „Den Sieg im ganzen Land erringen - das ist bloß der erste Schritt auf einem langen Marsch von zehntausend Meilen“ (Bericht auf der 2. Plenartagung des VII. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas" (9. März 1949), Ausgewählte Werke Mao Tse- tungs, Bd. IV), sowie auch abgewandelt zu „Egal wie weit der Weg ist, man muß den ersten Schritt tun.“ (zit.
n. <https://www.deutschlandfunkkultur.de/lebensadern-der-menschheit-nicht-alle-wege-fuehren-nach- rom.2193.de.html?dram:article_id=398818>)
42 Der in radikalem Gegensatz zu dem blanken Willen zur Dezision steht, wie sie der herrschaftsaffirmative
Dezisionismus propagiert, vgl. etwa Carl Schmitt 2015 – da diese Entscheidung immer wieder von dem Bestreben getragen sein wird, sich den bestmöglichen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Lage und ihren möglichen Dynamiken zu verschaffen..
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